Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug: boswilliges Unterlassen anderweitiger Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ablehnung des Angebotes des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiterzubeschäftigen, kann ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbes i. S.v. § 615 S. 2 BGB darstellen. Gegen die Unzumutbarkeit der Weiterarbeit spricht, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens den Antrag auf Weiterbeschäftigung anhängig macht; es stellt ein widersprüchliche! Verhalten dar, trotz Rechtshängigkeit dieses Antrages die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung geltend zu machen.

 

Normenkette

BGB § 615 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Rosenheim (Urteil vom 04.10.2000; Aktenzeichen 5 Ca 603/00)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Rosenheim vom 4.10.2000 – 5 Ca 603/00 – in Ziffer 4 und 7 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Ziffer 4:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 663,94 (in Worten: Sechshundertdreiundsechzig 94/100 Deutsche Mark) brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit 1.6.1999 und DM 442,63 (in Worten: Vierhundertzweiundvierzig 63/100 Deutsche Mark) brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit 1.4.2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird dieser Zahlungsantrag abgewiesen.

Ziffer 7:

Von den Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger 70 %, der Beklagte 30 % zu tragen.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 88 %, der Beklagte 12 % zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger, geboren am …, verheiratet und Vater von vier Kindern, war seit 1994 als Schreiner in einer Schreinerei tätig, die der Beklagte zum 1.4.1998 übernommen hat. Seit 1.9.1998 arbeitete der Kläger in Teilzeit von Montag bis Mittwoch; in der zweiten Wochenhälfte besuchte der Kläger die Meisterschule.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 24.3.1999 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.4.1999 gekündigt. Der Kläger hat gegen diese Kündigung Klage zum Arbeitsgericht Rosenheim erhoben. Durch rechtskräftiges Endurteil vom 24.2.2000 – 2 Ca 565/99 – hat das Arbeitsgericht Rosenheim festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde. In diesem Verfahren hatte der Kläger neben der Kündigungsschutzklage am 8.4.1999 auch Klage erhoben, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Kläger war vom 1.5. bis 24.5.1999 arbeitsunfähig krank.

Mit Schreiben vom 4.5.1999 hat der Beklagte dem Kläger mitgeteilt:

„Da durch Sie die Ladung zur Güte Verhandlung auf Freitag, den 21.5.1999 vertagt wurde, erwarte ich die Wiederaufnahme der Arbeit Ihrerseits unverzüglich nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit. Die Kündigung bleibt somit trotzdem zum 30.4.1999 ausgesprochen. Bis zur endgültigen Klärung ist die Arbeit wie gewohnt wieder aufzunehmen. Sollte weiterhin eine Arbeitsunfähigkeit bestehen, senden Sie uns umgehend die Bescheinigung zu”.

Die Klägervertreterin antwortete hierauf mit Schreiben vom 12.5.1999 (Bl. 59 d. A.):

„Sehr geehrter Herr

unser Mandant hat uns ihr Schreiben vom 4.5.1999, das bei ihm am 11.5.1999 einging, zur Beantwortung übergeben. Wir nehmen dazu wie folgt Stellung:…

2. Die Forderungen in Ihrem Schreiben sind unberechtigt. Im Übrigen teilen wir Ihnen zu Ihrer Information mit, dass unser Mandant bis einschließlich 24.5.1999 arbeitsunfähig ist. Die von Ihnen ausgesprochenen Verdächtigungen unseres Mandanten bezüglich seiner Arbeitsunfähigkeit sind ungerechtfertigt; insoweit mussten Sie sich durch den Ihrerseits eingeschalteten medizinischen Dienst der Krankenkassen bereits eines Besseren belehren lassen.”

Nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit erschien der Kläger nicht zur Arbeitsaufnahme.

Mit Schriftsatz vom 11.5.1999 begründete der Beklagtenvertreter die Kündigung damit, dass der Kläger viel zu lange für die Erstellung der Möbelstücke gebraucht habe und dadurch die vom Kläger produzierten Gegenstände zu einem Preis, der auch die Arbeitskosten des Klägers abdecken würde, nicht auf dem Markt zu veräußern waren und daher unter Preis, d. h. mit Verlust veräußert werden mussten. Der Kläger sei insoweit auch abgemahnt worden. Des Weiteren habe der Kläger bei Übernahme des Betriebes durch den Beklagten am 1.4.1998 bei dem damaligen Inhaber, Herrn … aus dem Krankenstand angerufen und diesem wörtlich mitgeteilt: „Ich lasse mich jetzt noch zwei Wochen krankschreiben, dass ich zum Neubeginn richtig fit bin”. Nach diesem Anruf vom 27.2.1998 habe sich der Kläger tatsächlich wieder krankschreiben lassen. Schließlich habe der Kläger im Juni 1998 in der Mittagspause den Auszubildenden … nach einem harmlosen Missverständnis mit den Worten angegriffen: „Ich hau Dir eine rein, Du verlogenes Arschloch, ich weiß schon, wo ich hinschlagen muss, dass Du gerichtlich – nichts beweisen kannst”. Dieses Ereignis hätte ausgereicht eine fristlose Kündigung auszusprechen, da die Bedrohung als Straftatbestand...

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