Entscheidungsstichwort (Thema)

Benachteiligung bei der Einstellung wegen Annahme einer Behinderung. Entschädigung wegen der Annahme einer Behinderung und darauf beruhender Nichteinstellung. Fragen nach Krankheiten bei Vorstellungsgesprächen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Stellenbewerber wird nicht wegen des Merkmals der Behinderung benachteiligt, wenn der Arbeitgeber nach psychischen Erkrankungen fragt, die die Eignung für die auszuübende Tätigkeit beeinträchtigen können und der Arbeitgeber nicht von einem Grad der Behinderung ausgegangen ist, d.h. eine Schwere der Erkrankung im Sinn einer Behinderung nicht in Betracht gezogen hat.

2. Selbst wenn Erkrankungen wie Depressionen oder Morbus Bechterew ab einem bestimmten Stadium den Grad einer Behinderung erreichen können, kann aus Fragen danach nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass der Fragende das Vorliegen einer Behinderung annimmt. Der Schutz des AGG geht nicht so weit, dass der abgelehnte Bewerber davor geschützt werden soll, dass die ablehnende Entscheidung auf der Annahme des Stellenbesetzers basiert, der Bewerber könne in Zukunft das Stadium der Behinderung erreichen.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 7, 15; SGB IX § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Regensburg (Urteil vom 05.12.2007; Aktenzeichen 3 Ca 1161/07 S)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen 8 AZR 670/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird dasEndurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom05.12.2007 – Az.: 3 Ca 1161/07 S – aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Entschädigung wegen Diskriminierung.

Der Kläger ist promovierter Diplom-Biologe. Der Beklagte ist Arzt und betreibt u. a. die Fa. M. C., die in der Forschung und Entwicklung im Bereich Medizin tätig ist.

Der Beklagte hatte über die Bundesagentur für Arbeit eine Stelle für einen Biologen oder Tierarzt mit akademischem Titel zur Mitarbeit an wissenschaftlichen Studien und in der klinischen Forschung ausgeschrieben (vgl. Bl. 6 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 30.07.2006 bewarb sich der Kläger auf diese Stellenanzeige. Am 01.08.2006 fand in den Geschäftsräumen des Beklagten ein Vorstellungsgespräch statt. Im Rahmen dieses Vorstellungsgesprächs musste der Kläger zunächst einen Test absolvieren, welcher in einer Internetrecherche und der Erstellung einer Powerpoint-Präsentation bestand. Des Weiteren sollte über einen wissenschaftlichen Aufsatz ein Kurzvortrag in englischer Sprache gehalten werden.

Bei diesem ersten Vorstellungsgespräch erzählte der Kläger, dass er in den letzten Jahren keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei, da er seine kranke Mutter habe pflegen müssen. Außerdem berichtete er von einem tödlichen Verkehrsunfall seines Bruders. Auch über Gehaltsvorstellungen wurde gesprochen.

Am 08.08.2006 fand ein weiteres Vorstellungsgespräch statt, an dem neben dem Kläger der Zeuge N. für den Beklagten teilnahm. Anlässlich des Gesprächs fragte dieser den Kläger, ob er in psychiatrischer Behandlung sei. Er wurde von diesem Zeugen aufgefordert zu unterschreiben, dass dies nicht der Fall sei. Bei diesem zweiten Gespräch wurde der Kläger auf eine mögliche Tätigkeit als freier Mitarbeiter angesprochen.

Am 13.09.2006 fand eine weitere Besprechung statt, bei der auch der Beklagte anwesend war. Nachdem der Kläger diesen gefragt hatte, warum der Zeuge N. ihn nach seinem Gesundheitszustand befragt habe, antwortete der Beklagte, dass der steife Gang des Klägers auf „Morbus Bechterev” schließen lasse. „Morbus Bechterev” führe bei Patienten häufig zu Depressionen. Der Beklagte forderte den Kläger auf, sich von ihm hinsichtlich des Wirbelsäulenzustandes untersuchen und röntgen zu lassen. Dieser war aber mit einer Untersuchung nicht einverstanden. Des Weiteren wurde über eine Tätigkeit des Klägers als freier Mitarbeiter im Rahmen eines Buchprojekts gesprochen. Hierzu wurden ihm zwei Bücher zum Einlesen überlassen.

Eine weitere Kontaktaufnahme erfolgte zunächst nicht. Am 02.10.2006 erfolgte ein Schreiben des Zeugen N. an den Kläger, wonach man bedauere, dass dieser sich nicht mehr gemeldet habe und man davon ausgehe, dass er kein Interesse an einer Mitarbeit bei dem Buchprojekt habe. Es wurde um Rücksendung der Bücher gebeten. Eine weitere Antwort erfolgte vonseiten des Klägers nicht. Schließlich wurde er unter dem 14.11.2006 aufgefordert, die Bücher zurückzusenden, was mit anwaltlichem Schreiben vom 30.11.2006 wiederholt wurde. Der Kläger brachte die Bücher daraufhin persönlich am 11.12.2006 zurück.

Mit Schreiben vom 12.12.2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden konnte (vgl. Bl. 9 d. A.).

Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger eine Entschädigungszahlung geltend, da er unter Verletzung des Benachteiligungsverbotes nicht eingestellt worden sei.

Der Kläger war erstinstanzlich der Auffassung, dass er wegen einer vonseiten des Beklagten angenommenen Behinderung nicht eingest...

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