Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame außerordentliche Kündigung einer Sachgebietsleiterin wegen Arbeitsverweigerung. Unwirksame Weisungen der Arbeitgeberin zur Umsetzung in ein leerstehendes Gebäude und Einrichtung des neuen Arbeitsplatzes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erscheint es aufgrund einer anhaltenden Konfliktsituation dringend geboten, eine räumliche Trennung der Sachgebietsleiterin und ihrer ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am bisherigen Arbeitsplatz zu veranlassen, rechtfertigt dieser Umstand keine Umsetzung in ein anderes Gebäude, wenn eine räumliche Trennung am bisherigen Arbeitsplatz möglich ist und bei der Zuweisung eines neuen räumlich getrennten Büros lediglich das bisherige Büro hätte frei gemacht werden können (Zimmertausch).

2. Steht in dem zugewiesenen Büro statt eines den Anforderungen an die Arbeitssicherheit und Ergonomie genügenden Schreibtischstuhls ein sichtlich in die Jahre gekommener hölzerner Küchenstuhl und hat das Gewerbeaufsichtsamt den Arbeitsplatz in der Weise beanstandet, dass es die Arbeitgeberin unter anderem dazu aufgefordert hat, die erforderlichen Maler-, Reinigungs- und Renovierungsarbeiten durchzuführen und den Arbeitsplatz gemäß den Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung und der Bildschirmarbeitsverordnung einzurichten, eine “Freimessung„ der Raumluft durchzuführen sowie die Maßnahmen umzusetzen, die die Fachkraft für Arbeitssicherheit bei der Begehung protokolliert hat, und hat auch der betriebsärztliche Dienst darauf hingewiesen, dass der Arbeitsplatz vor Aufnahme einer fachspezifischen Tätigkeit der Mitarbeiterin unter anderem wegen Verschmutzung infolge mehrjährigen Leerstands zunächst nach ergonomischen Vorgaben einzurichten und zu reinigen ist, entspricht die Zuweisung eines solchen Arbeitsplatzes durch die Arbeitgeberin nicht billigem Ermessen.

3. Wird eine Sachgebietsleiterin durch eine Umsetzung von anderen Beschäftigten völlig isoliert und aus der betrieblichen Organisation in Räumlichkeiten ausgegliedert, die von anderen Beschäftigten lediglich im Zusammenhang mit den dort gelagerten Betriebsmitteln und den auf dem Gelände abgestellten Fahrzeugen aufgesucht werden, handelte es sich nicht um einen Büroarbeitsplatz, der mit dem bisherigen Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin vergleichbar ist und aus dessen Vorhandensein sich eine Eingliederung der Sachgebietsleiterin in die Betriebsorganisation der Arbeitgeberin ableiten lässt.

4. Die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, der durch das Gewerbeaufsichtsamt unter dem Thema “Prävention psychischer Belastungen bei der Arbeit (einschließlich Mobbing)„ geführt wird, entspricht nicht billigem Ermessen.

5. Bei der Zuweisung eines Arbeitsplatzes, die deutlich mehr erfordert, als nur bei der zuständigen Stelle Bescheid zu geben, welchen Stuhl man gerne hätte, handelt es sich nicht um eine Aufgabe, die der Eingruppierung einer Sachgebietsleiterin entspricht, sondern um eine unterwertige Tätigkeit, die einer Sachgebietsleiterin im Rahmen des Direktionsrechts nicht übertragen werden kann.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; GewO §§ 106, 106 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 28.04.2016; Aktenzeichen 11 Ca 9344/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.06.2018; Aktenzeichen 2 AZR 436/17)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 28.04.2016, Az. 11 Ca 9344/14, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Arbeitgeberkündigung.

Die am 0.0.1970 geborene Klägerin arbeitete seit dem 01.02.2006 als Angestellte bei der Beklagten, zuletzt als vollbeschäftigte Tarifbeschäftigte in der Entgeltgruppe 11 TV-V. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt 4.620,63 €.

Die Klägerin war Leiterin des Sachgebiets E. Im Sachgebiet kam es wiederholt zu Konflikten. Bereits im Jahr 2007 wurde versucht, diese durch eine Mediation beizulegen. Am 05.11.2012 wurde der Klägerin die Sachgebietsleitung entzogen. Im Februar 2013 wurden Gespräche bezüglich einer Abordnung in die Hauptabteilung F. ab Mai 2013 geführt. Zu einer Abordnung kam es nicht. Mit Schreiben vom 09.03.2013 beantragte die Klägerin die Einleitung eines Verfahrens nach der DV-Mobbing der Beklagten.

Als die Klägerin am 02.05.2014 nach einer 12-wöchigen Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitsplatz zurückkehrte, wurde ihr mit Schreiben vom 02.05.2014 (Anl. B 15, Bl. 67 f. d. A.), konkretisiert durch Schreiben vom 07.05.2014 (Anl. B 32, Bl. 195 ff. d. A.), eine neue Arbeitsaufgabe zugewiesen. Gleichzeitig wurde ihr statt des bisherigen Arbeitsplatzes im G. ein Arbeitsplatz in einer ehemaligen H. der Beklagten in der H-Straße zugewiesen.

In der ehemaligen H. in der H-Straße befinden sich Dienstwohnungen der Beklagten. Eine dauerhafte Nutzung der dortigen Räumlichkeiten als Büro fand bis dahin nicht statt. Das der Klägerin zugewiesene Büro war u. a. ausgestattet mit einem Schreibtisch und einem einfachen Holzstuhl...

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