Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeitsklage

 

Leitsatz (amtlich)

Endet die Amtszeit eines ehrenamtlichen Richters nach der Verkündung eines Urteils (hier: des Landesarbeitsgerichts), an dem er noch mitgewirkt hat, und vor dem Zeitpunkt, zu dem das vollständige mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehene Urteil vom Vorsitzenden zur Geschäftsstelle gegeben wurde, ist er an der Unterschrift des vollständigen Urteils verhindert (§ 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Fehlt daher seine Unterschrift, ist dies kein Grund für eine Nichtigkeitsklage, auch wenn das vollständige Urteil nicht innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zur Geschäftsstelle gelangt ist und zu diesem Zeitpunkt die Amtszeit des ehrenamtlichen Richters noch nicht abgelaufen war.

 

Normenkette

ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 1; ArbGG § 35 Abs. 2, § 69 Abs. 1, § 60 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 03.12.2002; Aktenzeichen 6 (9) Sa 868/90)

 

Tenor

1. Die Nichtigkeitsklage des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 03.12.2002 – Az. 6 (9) Sa 868/90 – wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Nichtigkeitsklage die Fortführung des Rechtsstreits 6 (9) Sa 868/90, welcher mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 03.12.2002 abgeschlossen worden war.

Der in Polen geborene Kläger war vom 16.03.1983 bei der Beklagten, die in München einen Radiosender betrieb, von dem Programme für die osteuropäischen Staaten ausgestrahlt wurden, als Redakteur in der polnischen Nachrichtenabteilung beschäftigt.

Nach einer ersterklärten Kündigung vom 17.02.1988 zum 30.06.1988, die rechtskräftig für unwirksam erklärt wurde, und einer Vielzahl sich anschließender Rechtsstreitigkeiten steht zwischenzeitlich rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.12.1994 aufgrund Kündigung der Beklagten beendet wurde.

Im vorliegenden Ausgangsverfahren begehrte der Kläger die tatsächliche Weiterbeschäftigung als Redakteur und erweiterte dann im Berufungsrechtszug die Klage umfangreich.

Mit Urteil vom 03.12.2002 (6 (9) Sa 868/90), auf das Bezug genommen wird, wies das Landesarbeitsgericht München die Berufung des Klägers zurück und die Klage ab.

Der dem Protokoll vom 03.12.2002 beigefügte handschriftliche Urteilstenor ist von dem Vorsitzenden sowie den beiden ehrenamtlichen Richtern, darunter auch dem ehrenamtlichen Richter W., unterzeichnet (Bl. 610 d. A.).

Das dem Kläger am 25.04.2003 zugestellte Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 03.12.2002 trägt auf Seite 13 am Ende der Urteilsgründe folgenden Vermerk: „Das Amt des ehrenamtlichen Richters W. hat am 28.2.03 geendet.” Dieser Vermerk ist im Urteilsoriginal vom Vorsitzenden handschriftlich unterzeichnet, eine Unterschrift des ehrenamtlichen Richters W. fehlt.

Mit Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 03.11.2004 (4 AZN 343/03), der dem Kläger am 16.11.2004 zugestellt wurde, wies das Bundesarbeitsgericht die von ihm gegen das vorgenannte Urteil des Landesarbeitsgerichts eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurück.

Am 15.12.2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage.

Mit Beschluss vom 09.08.2007 (6 SHa 21/07), der dem Kläger am 09.08.2007 formlos übersandt wurde und am 10.08.2007 zugegangen ist, wurde diesem Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten bewilligt.

Mit Schriftsatz vom 24.08.2007, eingegangen am selben Tage beim Landesarbeitsgericht München, erhob der Kläger Nichtigkeitsklage und beantragte zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die versäumte Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO.

Der Kläger begründet den Wiedereinsetzungsantrag mit der erst am 09.08.2007 erfolgten Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Er stützt seine Nichtigkeitsklage darauf, dass das Landesarbeitsgericht bei dem beanstandeten Urteil ab dem 01.03.2003 entgegen § 35 Abs. 2 ArbGG nur in Besetzung mit zwei Richtern tätig geworden sei und das mit Gründen versehene Urteil auch nur von zwei Richtern stamme.

Die Unterzeichnung des mit Gründen versehenen Urteils sei der letzte Akt der Urteilsfällung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ende das Verfahren erst mit Hinausgabe der Urteilsausfertigung durch die Geschäftsstelle. Die unvorschriftsmäßige Kammerbesetzung beträfe das gesamte Urteil, das deshalb vollständig aufgehoben werden müsse.

Eine unvorschriftmäßige Besetzung des Gerichts verletze auch Art. 6 Abs. 1 EMRK, an den auch die bundesdeutschen Fachgerichte gebunden seien.

Nach der zeitlich umfangreichen Durchführung einer Vielzahl von Ablehnungsverfahren ergänzt der Kläger seine Rechtsmeinung dahingehend, dass ein Sachverhalt vorliege, der als Wegfall des zuständigen Richters aufgefasst werden müsse und damit die Voraussetzungen des § 547 Nr. 1 ZPO bzw. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfülle.

Im Hinblick auf den Wor...

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