Entscheidungsstichwort (Thema)

Schulträger als Tendenzunternehmen mit erzieherischer Zwecksetzung im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Schulträger in Form einer gemeinnützigen GmbH ist ein Tendenzunternehmen i.S.v. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer die Persönlichkeit von Menschen geformt werden soll. Dagegen genügt es nicht, wenn die Tätigkeit eines Unternehmens lediglich auf die Vermittlung gewisser Kenntnisse und Fähigkeiten gerichtet ist, wie z.B. bei einer Sprachschule, die nach einer bestimmten Methode Fremdsprachenunterricht erteilt. Unerheblich ist dabei, ob die erzieherische Tätigkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen oder gegenüber Erwachsenen ausgeübt wird.

2. Eine Feststellung, ob dies der Fall ist, kann nicht dergestalt erfolgen, dass jedes einzelne Schulfach entweder der erzieherischen oder der fachlichen Zwecksetzung zugeordnet und anschließend nach der überwiegend unterrichteten Kategorie eine quantitative Bestimmung in die eine oder andere Richtung vorgenommen wird. Entscheidend ist vielmehr, ob die Schule insgesamt nur auf die Vermittlung gewisser Kenntnisse und Fertigkeiten ausgerichtet ist, oder ob an der Schule durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemein- oder berufsbildender Fächer auch die Persönlichkeit der unterrichteten Schülerinnen und Schüler geformt werden soll.

 

Normenkette

BetrVG § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Beschluss vom 11.05.2010; Aktenzeichen 6 BV 29/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 11.05.2010 – Az. 6 BV 29/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin (Arbeitgeberin) ein Tendenzunternehmen mit erzieherischer Zwecksetzung im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG ist.

Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um einen Schulträger in Form einer gemeinnützigen GmbH. Der Beteiligte zu 2) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

Gem. § 2 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages der Arbeitgeberin ist Gegenstand des Unternehmens „die Aus- und Fortbildung von Technikern, insbesondere der Fachrichtungen Holz-, Elektro-, Maschinenbau-, Bau-, Sanitär- und Heizungs-Lüftungs-Klimatechnik, sowie die Einrichtung und der Betrieb von Fachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen und Berufsfachschulen sowie Fachakademien”. Gem. § 2 Nr. 3 verfolgt die Arbeitgeberin „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung”.

Die Arbeitgeberin unterrichtet an folgenden Schulen rund 750 Personen:

  • • Fachschule für Maschinenbautechnik
  • • Fachschule für Elektrotechnik
  • • Fachschule für Bautechnik
  • • Fachschule für Holztechnik
  • • Fachschule für Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik
  • • Berufsfachschule für kaufmännische Assistenten
  • • Berufsfachschule für technische Assistenten
  • • Wirtschaftsschule
  • • Realschule
  • • Gymnasium.

Bei der Realschule und dem Gymnasium handelt es sich um staatlich genehmigte Ersatzschulen, die weiteren genannten Schulen sind staatlich anerkannte Ersatzschulen. Die von den Beteiligten vorgetragenen Schülerzahlen differieren etwas, ergeben aber ein vergleichbares Bild. Im Schuljahr 2009/2010 besuchten nach Angaben der Arbeitgeberin 756 und nach Angaben des Betriebsrats 730 Schülerinnen und Schüler die von der Arbeitgeberin betriebenen Schulen. Auf die Fachschulen entfielen nach Angaben der Arbeitgeberin 414 Schüler (Betriebsrat: 360), auf die Berufsfachschulen 137 (Betriebsrat: 140), auf die Wirtschaftsschule 129 (Betriebsrat: 140), auf die Realschule 39 und auf das Gymnasium 37 (Betriebsrat: insgesamt 90) Schülerinnen und Schüler.

Der Besuch der Fachschulen setzt eine abgeschlossene Berufsausbildung und mindestens ein Jahr Berufserfahrung voraus. Von den insgesamt bei der Arbeitgeberin erteilten wöchentlichen rund 1.050 Unterrichtsstunden entfallen auf die Fachschulen rund 620 Unterrichtsstunden. Der Unterricht wird während zweier Schuljahre (rund 35 Wochenstunden) erteilt (auf die vom Betriebsrat im Rahmen seines Schriftsatzes vom 16.07.2009, dort Seite 6 (Bl. 43 d. A.) vorgetragene Stundentafel und die von der Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 09.11.2009 vorgelegten Stundenpläne (Bl. 68 ff. d. A.) wird Bezug genommen).

An den Berufsfachschulen werden Schülerinnen und Schüler mit einem mittleren Schulabschluss unterrichtet. Die Schüler an der Wirtschaftsschule verfügen über einen Qualifizierenden Hauptschul- oder einen vergleichbaren Abschluss. Der Unterricht an diesen Schulen verteilt sich ebenfalls auf rund zwei Jahre bei 32 bis 36 Wochenstunden.

Der Unterricht an den Fachschulen, den Berufsfachschulen und der Wirtschaftsschule erfolgt nach verbindlichen Lehrplänen, die sowohl allgemeinbildende Fächer, wie z.B. Deutsch und Sozialkunde, als auch fachtechnische Fächer enthalten.

Die ...

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