Leitsatz (redaktionell)

Hinweis der Geschäftsstelle:

Das Bundesarbeitsgericht bittet alle Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung einzureichen.

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 22.10.1997; Aktenzeichen 4 BV 303/96)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluß des Arbeitsgerichts München vom 22.10.1997 – 4 BV 303/96 – aufgehoben.

2. Der Antrag des Betriebsrats wird zurückgewiesen.

3. Es wird festgestellt, daß die Beteiligte zu 2) berechtigt ist, ohne vorherige Zustimmung des Beteiligten zu 1) oder eines diese ersetzenden Spruchs einer Einigungsstelle von allen Arbeitnehmern, die infolge von Krankheit arbeitsunfähig sind, die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an, zu verlangen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Beteiligte zu 1) (Betriebsrat) mitzubestimmen hat, soweit die Beteiligte zu 2) (Arbeitgeberin) von allen Arbeitnehmern die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung innerhalb von drei Kalendertagen fordert, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit selbst nur einen Tag dauert.

Die Beteiligte zu 2) ist ein Unternehmen, welches Zeitungen und Zeitschriften verlegt und herstellt, allerdings nicht mehr selbst druckt. Bei ihr sind ca. 300 Arbeitnehmer beschäftigt. Für 50 gewerbliche Arbeitnehmer gelten die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie, für 180 Angestellte und 10 gewerbliche Arbeitnehmer die Tarifverträge im Zeitungsverlagsgewerbe in Bayern und für 60 Redakteure die Tarifverträge für Redakteure und Redakteurinnen an Tageszeitungen.

Nach Inkrafttreten des Entgeltfortzahlungsgesetzes vom 26.5.1994 gab die Beteiligte zu 2) durch Aushang vom 2.1.1995 folgendes bekannt:

„Der guten Ordnung halber weisen wir darauf hin, daß auch nach Inkrafttreten des neuen Entgeltfortzahlungsgesetzes Mitarbeiter verpflichtet sind, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen und vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer nachzureichen, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit selbst nur einen Tag besteht. Entsprechende Mitteilungen bzw. Unterlagen sind an den jeweiligen Fachvorgesetzten zu richten.

Wir bitten um Beachtung.”

Mit Schreiben vom 2.1.1995 reklamierte der Beteiligte zu 1) für die Frage der Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG, forderte die Beteiligte zu 1) auf, den Aushang vom 2.1.1995 zurückzuziehen und mit dem Beteiligten zu 1) in Verhandlungen über eine einschlägige Betriebsvereinbarung zu treten. Dies lehnte die Beteiligte zu 2) ab.

Daraufhin reichte der Beteiligte zu 1) beim Arbeitsgericht München am 25.1.1995 eine Antragsschrift ein, mit folgendem Antrag:

„Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor Ablauf des dritten Kalendertags und auch für Fälle zu verlangen, in denen die Arbeitsunfähigkeit nicht länger als drei Kalendertage dauert, ohne daß die Zustimmung des Beteiligten zu 1) vorliegt oder durch eine Entscheidung einer Einigungsstelle ersetzt ist.”

Der Beteiligte zu 1) hat die Auffassung vertreten, daß es sich bei der Frage der Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen um Fragen der betrieblichen Ordnung i. S. von § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG handele, bei der der Betriebsrat mitzubestimmen habe. Die gesetzliche Neuregelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG gewähre dem Arbeitgeber ein Wahlrecht, ob er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon für den ersten oder erst den zweiten oder dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit verlange. Welche belastende Regelung für den jeweiligen Betrieb gelte, habe der Betriebsrat mitzubestimmen.

Die Beteiligte zu 2) hat den Standpunkt vertreten, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 des Eingangssatzes BetrVG ausscheide, weil die gesetzliche Regelung abschließend dem Arbeitgeber das Recht einräume, früher als nunmehr gesetzlich vorgesehen, die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen. Es liege auch keine Frage der betrieblichen Ordnung, sondern eine Frage des Arbeitsverhaltens vor.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluß vom 22.10.1997 dem Unterlassungsantrag des Betriebsrats in vollem Umfang stattgegeben. Es ist der Auffassung, daß die Anordnung des Arbeitgebers, ab wann eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen ist, eine Frage der betrieblichen Ordnung i. S. von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betreffe und daß das dabei gegebene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht ausgeschlossen sei, weil die in § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG dem Arbeitgeber eingeräumte Möglichkeit, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „früher” zu verlangen, einen Regelungsspielraum beinhalte, bei dessen Ausfüllung der Betriebsrat gerade mit...

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