Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtbetriebsvereinbarung. Geltung einer vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Begründung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG kann nicht allein deshalb angenommen werden, weil der Arbeitgeber nur bereit ist mit dem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.

 

Normenkette

BetrVG § 50 Abs. 1, §§ 77, 87 Abs. 1 Nr. 2; TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 07.02.2002; Aktenzeichen 27 BV 211/01)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 09.12.2003; Aktenzeichen 1 ABR 49/02)

 

Tenor

1. DerBeschluss desArbeitsgerichts München vom7.2.2002 – 27 BV 211/01 – wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die zwischen den Beteiligten zu 2) und 3) am 15.3.2001 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung über die flexible Arbeitszeit in den Außenstellen der Vereinten Krankenversicherung AG nicht für die Mitarbeiter des Betriebes der Bezirksdirektion Hannover VK gilt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Das Verfahren soll klären, ob eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die flexible Arbeitszeit auch für die Mitarbeiter des Betriebes der Bezirksdirektion H. gilt.

Die Beteiligte zu 3) (Arbeitgeberin) beschäftigt im gesamten Bundesgebiet ca. 3.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie besteht aus ungefähr 36 Bezirksdirektionen, vier Vertriebsdirektionen, fünf Niederlassungen, einem Kunden-Service-Center und einer Hauptverwaltung. Die Bezirksdirektionen, Vertriebsdirektionen und Niederlassungen werden als Außenstellen bezeichnet. Insgesamt gibt es etwa 47 Betriebe.

Der Antragsteller ist der in der Bezirksdirektion H. gebildete Betriebsrat. Dort sind ungefähr 23 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden. Für sie gilt u.a. der Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (MTV). § 11 MTV lautet auszugsweise wie folgt:

Regelmäßige Arbeitszeit

Für die Angestellten im Innendienst (ausgenommen Hausmeister und Heizer) beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 38 Stunden in der Woche. Pausen gelten nicht als Arbeitszeit. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit verteilt sich gleichmäßig auf die Tage Montag bis Freitag.

Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann die Arbeitszeit abweichend davon für alle Angestellten oder für Gruppen von Angestellten einheitlich oder unterschiedlich festgelegt werden. Dabei sind die Erfordernisse des Betriebes und der einzelnen Funktionsbereiche zu berücksichtigen.

Abweichend von Abs. 1 kann aus betrieblichen Gründen im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit auch Samstagsarbeit durch freiwillige Betriebsvereinbarung vorgesehen werden.

Im März/April 2001 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die flexible Arbeitszeit in den Außenstellen der Vereinten Krankenversicherung AG (Bl. 6 ff d.A.). Ein Übertragungsbeschluss des antragstellenden Betriebsrats gem. § 50 Abs. 2 BetrVG liegt nicht vor. Vor Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung hatte die Arbeitgeberin entschieden, dass eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der flexiblen Arbeitszeit nur mit dem Gesamtbetriebsrat getroffen werden solle. Dies hatte sie dem Gesamtbetriebsrat mitgeteilt. In der Gesamtbetriebsvereinbarung ist u.a. geregelt:

3. Flexibilisierungsmaßnahmen

Die Niederlassungen sind an Werktagen (Montag bis Freitag) von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr und die sonstigen Außenstellen sind an Werktagen (Montag bis Freitag) von 6.30 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. In dieser Zeit können die Mitarbeiter ihre tarifvertragliche oder einzelvertragliche geregelte Arbeitszeit unter Berücksichtigung der betrieblichen Interessen ableisten.

4. Servicezeit

4.1. Zur Sicherstellung der Erreichbarkeit wird in den Niederlassungen für die Servicezeiten von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr eine bedarfsorientierte Mindestbesetzung in den einzelnen Arbeitsbereichen in einem Serviceplan (Anlage) festgelegt. Änderungen sind mit dem zuständigen örtlichen Betriebsrat zu beraten. Sofern für Mitarbeiter eine Arbeitszeit bis 18.00 Uhr bzw. bis 20.00 Uhr in besonders begründeten Ausnahmefällen vorübergehend oder gar längerfristig eine persönliche Härte bedeutet, bedarf es für die Einbeziehung dieser Mitarbeiter in die Mindestbesetzung der Zustimmung des örtlichen Betriebsrates.

4.2. Die Erreichbarkeit in den sonstigen Außenstellen wird bedarfsorientiert durch Absprachen zwischen den Geschäftsleitungen und den örtlichen Betriebsräten über Servicezeiten und Mindestbesetzungsgrade sichergestellt, wobei eine Mindestbesetzung bis 17.00 Uhr gewährleistet sein soll. Sollte sich bis Ende Juni 2002 herausstellen, dass diese Regelung zur Sicherstellung der Erreichbarkeit nicht ausreicht, wird eine am Bedarf orientierte Mindestbesetzung festgelegt. Sofern für Mitarbeiter eine Arbeitszeit innerhalb dieser Servicezeiten in besonders begründeten Ausnahmefällen vorübergehend oder gar längerfristig eine pe...

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