Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten bei Berufungsrücknahme aufgrund eines Vergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Treffen die Parteien in einem außergerichtlichen Vergleich keine Kostenregelung, sind auch die Prozeßkosten gegeneinander aufgehoben, wenn der Berufungsführer in Vollzug des Vergleiches die Berufung zurücknimmt. § 515 Abs. 3 ZPO tritt hinter § 98 ZPO zurück.

 

Normenkette

ZPO § 515 Abs. 3, § 98

 

Tenor

1. Die Beklagte ist des Rechtsmittels der Berufung verlustig.

2. Der Antrag des Klägers, ihr die Kosten der Berufung aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger hat die Rechtsunwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 22.12.1986 behauptet und deswegen am 15.1.1987 Kündigungsschutzklage eingereicht. Die Beklagte hat neben Klageabweisung hilfsweise beantragt, das Arbeitsverhältnis nach §§ 9, 10 KSchG aufzulösen.

Mit Urteil vom 2.7.1987 hat das Arbeitsgericht München nach dem Klageantrag erkannt, den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Streitwert wurde auf DM 49.500,– festgesetzt.

Die gegen dieses Urteil von der Beklagten eingelegte Berufung hat sie mit Schriftsatz vom 11.9.1987 zurückgenommen unter Hinweis auf einen außergerichtlichen Vergleich vom 31.8.1987 (Bl. 80 und 81 d.A.). Ziffer 10 dieses Vergleiches normiert die Verpflichtung der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München zurückzunehmen. Eine Kostenregelung ist nicht getroffen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte des Rechtsmittels der Berufung für verlustig zu erklären und ihr insoweit die Kosten der Berufung aufzuerlegen. Der Kläger ist der Auffassung, es handele sich nicht um einen Fall des § 98 ZPO, sondern des § 515 Abs. 3 ZPO und der Fall der Berufungsrücknahme sei nicht anders zu behandeln als der einer Klagerücknahme mit den Folgen des § 269 ZPO.

Die Beklagte ist der Auffassung, § 98 ZPO sei anwendbar, weil auch für den Vergleich selbst die gesetzliche Regelung des § 98 ZPO mit der Folge gelte, daß dann über die Kosten des Rechtsmittels bereits „rechtskräftig erkannt” i.S.d. § 269 ZPO sei.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag des Klägers ist nur teilweise begründet. Soweit er den Ausspruch begehrt, daß die Beklagte des Rechtsmittels der Berufung verlustig sei, ergibt sich diese Folge aus § 515 Abs. 3 S. 1 ZPO.

Ein Ausspruch über die Kostenfolge nach dieser Bestimmung hat aber zu unterbleiben, weil nach § 98 ZPO die Kosten als gegeneinander aufgehoben gelten.

Zwar gilt § 98 ZPO unmittelbar nur für einen Prozeßvergleich. Für einen außergerichtlichen Vergleich ist die Vorschrift aber entsprechend anzuwenden und, wenn damit ein Prozeß erledigt wird, auch für die Prozeßkosten (Thomas-Putzo, ZPO, 14. Aufl., § 98 Anm. 1 a).

Diese Frage ist allerdings in der Literatur und Rechtsprechung umstritten. Zutreffend weist der Kläger auf die Kommentierung von Schneider in Zöller u.a. ZPO, 15. Aufl., § 98 Rd.Nr. 6 hin, wonach § 98 ZPO nur bei einem außergerichtlichen Vergleich gelte, der zugleich eine Kostenregelung enthalte, bei einem Vergleich ohne Kostenregelung aber § 269 eingreife. Zur gleichen Auffassung kommt Albers in Baumbach u. a., ZPO, 42. Aufl., § 515 Anm. 4 B. Im Widerspruch hierzu steht die Kommentierung von Hartmann im gleichen Kommentar zu § 98 Anm. 3 b, wonach § 98 ZPO in Betracht komme, wenn die Klage oder das Rechtsmittel aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs zurückgenommen worden sei, denn insofern sei i.S.d. § 269 Abs. 3 „rechtskräftig erkannt” worden. Die Regelung des § 98 ZPO sei auch auf einen außergerichtlichen Vergleich ohne Kostenregelung anzuwenden, weil dies dem vermutlichen Parteiwillen entspreche (a.a.O. Anm. 3 A). Ähnlich widersprüchlich ist die Kommentierung von Grunsky in Stein u. a., ZPO, 19. Aufl., zu § 515 Anm. III 2, die allerdings auf § 271 ZPO (a.F.) unter Anmerkung VII 1 Bezug nimmt, die wiederum § 98 ZPO anwendet, wenn im außergerichtlichen Vergleich keine Kostenregelung getroffen ist.

Der letzteren Auffassung ist zu folgen. Es ist allgemein anerkannt, daß eine im außergerichtlichen Vergleich getroffene Kostenregelung auch auf die Prozeßkosten des durch den Vergleich erledigten Rechtsstreits anzuwenden ist (BAG, Urteil vom 28.6.1984 – 2 AZR 293/84 –; Thomas-Putzo a.a.O.). Treffen die Parteien keine ausdrückliche andere Regelung, bewußt oder ungewollt, gilt deshalb die Aufhebung der Kosten nach § 98 ZPO. Die gesetzliche Regelung tritt an die Stelle einer nicht getroffenen oder für überflüssig erachteten vertraglichen. Sie gilt als zwischen den Parteien vereinbart, sofern sie nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt haben oder die Entscheidung über die Kosten der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten haben, also § 98 ZPO ausdrücklich ausschliessen.

Die Annahme, daß es sich insoweit um eine Kostenregelung handelt, die auch bei der vereinbarten Zurücknahme der Klage oder der Berufung gelten solle, ergibt sich aus d...

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