Entscheidungsstichwort (Thema)

Leitende Angestellte (insbesondere im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 3 BetrVG). Betriebliche Stellung von Angestellten der Flugsicherung. Feststellungsantrag des Betriebsrats zur fehlenden Leitungsfunktion eines "Chief of Section"

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG für leitende Angestellte genannten Zuordnungskriterien beruhen auf der Wertung des Gesetzgebers, nach der eine Einstellungs- und Entlassungsbefugnis die leitende Funktion eines Angestellten im Betrieb oder im Unternehmen in besonderer Weise zum Ausdruck bringt; Einstellungen und Entlassungen sind Instrumente der Personalwirtschaft und damit unternehmerische Tätigkeit.

2. Wird die Befugnis zu Einstellungen und Entlassungen einem Angestellten übertragen, ist der zur selbstständigen Einstellung und Entlassung befugte Angestellte der Repräsentant der Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat; die unternehmerische Aufgabenstellung kann sich aus der Personalverantwortung für den Bereich des gesamten Unternehmens oder als unternehmerische Teilaufgabe auch aus der Personalverantwortung für einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung ergeben.

3. Dass das fachliche Urteil des Angestellten maßgeblich zur letztendlich getroffenen Einstellungsentscheidung beiträgt, reicht für die Annahme einer Leitungsfunktion im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG nicht aus; die selbständige Einstellungsbefugnis fehlt schon dann, wenn ein anderer mitentscheidet.

4. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG erfordert die Wahrnehmung typisch unternehmerischer (Teil-) Aufgaben, so dass grundsätzlich Tätigkeiten aus dem Bereich der wirtschaftlichen, technischen, kaufmännischen, organisatorischen, personellen und wissenschaftlichen Leitung des Unternehmens in Betracht kommen; die Wahrnehmung einer unternehmerischen (Teil-) Aufgabe setzt allerdings voraus, dass dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener und erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht und er dementsprechend mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung seinen Tätigkeitsbereich wahrnimmt und kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausübt.

5. Nicht alle wichtigen und mit erheblicher Verantwortung verbundenen Aufgaben in einem Unternehmen sind unternehmerische (Teil-) Aufgaben; insbesondere kann der Status als leitender Angestellter nicht allein aus der Vorgesetztenstellung gegenüber einer großen Gruppe von qualifizierten Mitarbeitern mit ihrerseits verantwortungsvoller Tätigkeit abgeleitet werden.

 

Normenkette

BetrVG § 5 Abs. 3, 3 S. 2 Nrn. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 02.06.2010; Aktenzeichen 38 BV 380/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 02.06.2010 - Az.: 38 BV 380/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Gründe

I. Im Beschwerdeverfahren ist noch streitig, ob die Beteiligten zu 3, zu 4 und zu 5 leitende Angestellte i. S. des § 5 Abs. 3 BetrVG sind.

Antragsteller ist der bei der Beteiligten zu 2 (Arbeitgeberin) bestehende elfköpfige Betriebsrat für die J.. Die Arbeitgeberin ist für die Flugverkehrskontrolle in Deutschland zuständig und durch Rechtsverordnung mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zur Flugsicherung beliehen. Der Beteiligte zu 6 ist der bei der Arbeitgeberin bestehende F.

Die Arbeitgeberin ist in vier Geschäftsbereiche unterteilt. Das Kerngeschäft liegt bei den Geschäftsbereichen "Center" und "Tower". Der Geschäftsbereich "Center" ist für die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs im unteren und oberen Luftraum zuständig. Er erwirtschaftet mehr als die Hälfte des Umsatzes der Arbeitgeberin und nahezu die Hälfte der insgesamt bei der Arbeitgeberin beschäftigten rund 5.600 Mitarbeiter werden für diesen Geschäftsbereich tätig. Dem Geschäftsbereich "Center" sind von den insgesamt 1.728 beschäftigten Fluglotsen 1.383 zugeordnet. Er betreibt Radarkontrollzentralen am Sitz der Arbeitgeberin in B-Stadt und in den Niederlassungen K., J. und L.. In der J. des Geschäftsbereichs "Center" arbeiten etwa 600 Mitarbeiter.

Bei der Arbeitgeberin bestehen - bezogen auf den hier relevanten Geschäftsbereich "Center" - folgende Führungshierarchien und Verantwortlichkeiten: Die Arbeitgeberin wird von drei Geschäftsführern vertreten. Verantwortlich für den Geschäftsbereich "Center" ist der Geschäftsführer "Betrieb". Diesem unterstellt ist der Geschäftsbereichsleiter "Center". Auf der nächsten Hierarchieebene wird in den einzelnen Niederlassungen der Bereich "Betriebsdienste" von einem Niederlassungsleiter geleitet. Unter dem Niederlassungsleiter "Betriebsdienste" sind als Leiter der einzelnen "Einsatzberechtigungsgruppen", die sog. "Chief of Section" (künftig COS) angesiedelt. Die Beteiligten zu 3, zu 4 und zu 5 werden als COS beschäftigt. Den COS nachgeordnet sind die sog. Supervisoren, die wiederum als Vorgesetzte der Fluglotsen und Flugdatenbearbeiter tät...

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