Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung der Prozesskostenhilfe für eine Zeugin im arbeitsgerichtlichen Prozess

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bestimmungen über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht nur auf die Parteien des Rechtsstreits, sondern auch auf Zeugen anwendbar, da ein Zeuge in einem Zwischenstreit über seine Berechtigung zur Zeugnisverweigerung Partei ist.

2. Die Befragung einer Zeugin zu außerehelichem Geschlechtsverkehr gereicht ihm jedenfalls dann im Sinne von § 384 Nr. 2 ZPO zur Unehre, wenn der Partner verheiratet ist.

3. In einem solchen Fall ist die anwaltliche Vertretung im Hinblick auf die rechtliche Schwierigkeit und die Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts geboten.

 

Normenkette

ZPO § 114 S. 1, §§ 121, 384 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 30.09.2011; Aktenzeichen 38 Ca 9161/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 30.9.2011 - 38 Ca 9161/10 - abgeändert.

Der Beschwerdeführerin wird für den Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit ihrer Zeugnisverweigerung rückwirkend zum 5.5.2011 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt F. als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.

Eine Ratenzahlungsverpflichtung besteht derzeit nicht.

 

Gründe

I. In dem dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Rechtsstreit, der durch einen Vergleich abgeschlossen wurde, stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer ordentlichen und einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung. Aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 16.2.2011 war die Beschwerdeführerin als Zeugin zu einem Verhandlungstermin am 11.5.2011 geladen worden. Sie sollte zur Frage eines intimen Verhältnisses zwischen dem Kläger und ihr während der Arbeitszeit vernommen werden. Mit Anwaltsschreiben vom 18.4.2011 machte sie ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO geltend und beantragte am 5.5.2011 Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung. Im Termin vom 11.5.2011, zu dem die Beschwerdeführerin und ihr Anwalt erschienen waren, wurde sie nicht vernommen.

Der Kündigungsschutzprozess wurde durch einen Vergleich abgeschlossen.

Mit Beschluss vom 30.9.2011 hat das Arbeitsgericht den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde vom 13.10.2011, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 ZPO) und begründet. Der Beschwerdeführerin ist gem. § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil die §§ 114 ff ZPO auch für den Zwischenstreit über eine Zeugnisverweigerung gelten, die Rechtsverfolgung der Beschwerdeführerin hinreichende Erfolgsaussicht hat, nicht mutwillig ist und die erforderlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind.

1. Die Bestimmungen über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind anwendbar, obwohl die Beschwerdeführerin nicht Partei des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigungen war. Der Umstand, dass sie in diesem Rechtsstreit als Zeugin geladen war, schließt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für sie nicht aus. Die §§ 114 ff ZPO gelten für das streitige Erkenntnisverfahren nach dem Zweiten und Dritten Buch der ZPO, also die §§ 253 bis 577 ZPO (MünchKommZPO/Motzer, § 114 Rn 14; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 114 Rn 11 sowie vor § 114 Rn 12). Dazu gehört auch ein Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung nach § 387 ZPO (Stein/Jonas/Bork, § 114 Rn 4; OLG Hamburg vom 17.3.2009 - 12 WF 26/09 - Juris). Durch den Beweisbeschluss ist die Beschwerdeführerin in das Verfahren einbezogen worden. Ohne den Vergleich im Termin vom 11.5.2011 hätte die Frage, ob sie das Zeugnis verweigern darf, durch Zwischenurteil entschieden werden müssen.

In dem Zwischenstreit über die Zeugnisverweigerung war die Beschwerdeführerin Partei (Stein/Jonas/Berger, § 387 Rn 6; Zöller/Greger, ZPO, § 387 Rn 3). Ihr Verfahrensbevollmächtigter erhält Gebühren wie ein Prozessbevollmächtigter (Vorbemerkung 3 Abs. 1 vor Nr. 3100 der Anlage 1 zum RVG; Zöller/Greger, ZPO § 387 Rn 8). Deshalb ergeben sich aus dem Wortlaut des § 114 ZPO keine Bedenken gegen die Anwendung der Bestimmungen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung. Auch der Zweck der §§ 114 ff ZPO spricht für die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen. Hilfsbedürftigen Parteien soll es ermöglicht werden, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen. Das gilt auch für Zeugen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend machen, zumal sie auf ihre Zeugenstellung keinen Einfluss nehmen können und grundsätzlich zu einer Aussage verpflichtet sind.

2. Die Rechtsverfolgung der Beschwerdeführerin hatte die gem. § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht. Nach § 384 Nr. 2 ZPO kann das Zeugnis verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen zur Unehre gereichen würde. Bei einem außerehelichen Geschlechtsverkehr wird ein solcher Fall jedenfalls dann angenommen, wenn der Partner verheiratet ist (MünchKommZPO/Damrau § 384 Rn 8). Der Kläger des K...

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