Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfall des Annahmeverzugslohnanspruchs bei Erzielung eines Zwischenverdienstes. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Einseitige Ausschlussfrist als unangemessen benachteiligende und damit unwirksame Klausel

 

Leitsatz (amtlich)

Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, nach der Ansprüche verwirken, sofern sie dem Arbeitgeber gegenüber nicht fristgerecht geltend gemacht werden, erfasst dem Wortlaut nach nur Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht solche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer. Eine solche Ausschlussfrist steht einem Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung von Annahmeverzugslohn wegen erzielten Zwischenverdienstes nicht entgegen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Annahmeverzug muss sich der Dienstverpflichtete den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erworben hat (§ 615 Satz 2 BGB). Entspricht die Höhe des Zwischenverdienstes mindestens dem gezahlten Arbeitsentgelt, entfällt mit Anrechnung des erzielten Zwischenverdienstes der Annahmeverzugslohnanspruch vollständig.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind.

3. Liegt eine Klausel mit einer einseitigen Ausschlussfrist vor, die nur dem Arbeitnehmer die Durchsetzung seiner Ansprüche erschwert, ist diese als unangemessene Benachteiligung unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB).

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1 S. 1, §§ 615, 133, 157, 305, 307 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 25.02.2022; Aktenzeichen 13 Ca 244/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 25.01.2022 - 13 Ca 244/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Annahmeverzugslohn wegen erzielten Zwischenverdienstes.

Der 1966 geborene Beklagte trat am 01.09.1983 in die Dienste des VEB K.-betrieb für Landtechnik U-Stadt und arbeitete dort als Landmaschinenschlosser. Ab dem 01.01.1991 beschäftigte ihn die U. L.-bau und Instandsetzung GmbH unter Übernahme der seit 01.09.1983 bestehenden Unternehmenszugehörigkeit als Schlosser weiter. Im Jahr 2000 ging das Arbeitsverhältnis auf die Klägerin über, bei der der Beklagte zuletzt als mitarbeitender Kfz-Meister in Vollzeit tätig war. Der letzte Änderungsvertrag datiert vom 11.01.2001 und enthält folgende Klausel:

"...

§ 10 Geltendmachung von Ansprüchen

Gegenseitige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis (z. B. aus Mehrarbeit, rückständigem Lohn u. ä.) sind innerhalb von zwei Monaten geltend zu machen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind alle daraus herrührenden sonstigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Beendigung geltend zu machen. Nach Ablauf der genannten Fristen ist der Anspruch verwirkt, sofern er dem Arbeitgeber gegenüber nicht vorher erfolglos geltend gemacht wurde.

..."

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis des Beklagten zunächst mit Schreiben vom 28.08.2019, zugegangen am 30.08.2019, betriebsbedingt zum 28.02.2020, hilfsweise ordentlich und fristgerecht zum nächstzulässigen Kündigungszeitpunkt. Hiergegen reichte der Beklagte beim Arbeitsgericht Stralsund (Kammern Neubrandenburg), Aktenzeichen 13 Ca 335/19, Kündigungsschutzklage ein. Ab dem 29.02.2020 bezog der Beklagte zunächst Arbeitslosengeld.

Mit Schreiben vom 20.08.2020, dem Beklagten zugegangen am 21.08.2020, kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut, und zwar ordentlich zum 31.03.2021. Auch diese Kündigung griff der Beklagte gerichtlich an.

Am 01.09.2020 nahm der Beklagte bei einem anderen Arbeitgeber eine neue Beschäftigung auf. Die Klägerin erfuhr hiervon zunächst nichts.

Mit Urteil vom 17.11.2020 stellte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung vom 28.08.2019 fest und verurteilte die Klägerin (seinerzeit Beklagte) im Übrigen zur Zahlung von Überstundenvergütung nebst Zuschlägen, einer Erholungsbeihilfe und zur Schadensersatzzahlung wegen Nichtgewährung von Tankgutscheinen. Hinsichtlich der Folgekündigung vom 20.08.2020 zum 31.03.2021 wies das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab. Der Beklagte legte kein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Die Klägerin (seinerzeit Beklagte) hingegen verfolgte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung mit der Berufung weiter.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bot die Klägerin dem Beklagten unter dem 15.12.2020 eine Vereinbarung über eine Prozessbeschäftigung an, die der Beklagte mit Schreiben vom 17.01.2021 annahm. Die Vereinbarung hat den folgenden Inhalt:

"...

1. Die Parteien sind darüber einig, dass Herr [Beklagter] für die ...

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