Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Aktenzeichen 66 Ca 381/98)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.04.2001; Aktenzeichen 6 AZR 685/99)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin in Ziffer 1. und 2. wie folgt abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 5.013,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.10.1997 zu zahlen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt eine Abfindung nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Küchenhilfe beschäftigt. Die beklagte Stadt hat den Bereich Essensausgabe in den Kindereinrichtungen und Schulen ausgegliedert. Dem damit verbundenen Teilbetriebsübergang auf die Firma Menüservice N. hat die Klägerin widersprochen. Die neue Arbeitgeberin hatte ihr einen Stundenlohn von 12,02 DM angeboten. Bei der beklagten Stadt hatte die Klägerin bis zu ihrer Kündigung 19,71 DM pro Stunde bei einer 20-Stunden-Woche erhalten. Das entspricht einem Monatslohn von etwas mehr als 1.000,00 DM, wovon die Klägerin monatlich 252,00 DM für den Kindergarten hätte zahlen müssen nebst Miete und Nebenkosten in Höhe von 490,00 DM. Ferner geht der Sohn in den Kindergarten, der morgens erst um 6.00 Uhr öffnet. Die Klägerin hätte aber bei ihrem neuen Arbeitgeber bereits um 5.00 Uhr beginnen müssen. Sie verfügt über kein Auto und hätte mit Öffentlichen Verkehrsmitteln fahren müssen. Die Klägerin hat auch keine Familie, bei der sie ihren Sohn morgens zwischen 4.00 und 6.00 Uhr hätte unterbringen können.

Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs, in dem die Parteien übereinstimmend geregelt haben, daß das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen mit Wirkung zum 30.09.1997 auf Grund Kündigung der Beklagten geendet hat. Eine Klage auf Zahlung einer Abfindung in unstreitiger Höhe von 5.013,75 DM nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992 hat das Arbeitsgericht Schwerin durch Urteil vom 23.10.1998 – 66 Ca 381/98 – abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Tarifvertragsparteien des Tarifvertrags zur sozialen Absicherung hätten sich nach dem Wortlaut dieser Vorschrift abschließend darauf beschränkt, die Zumutbarkeit nach Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers zu bestimmen. Hätten die Tarifvertragsparteien gewollt, daß auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers bei der Prüfung der Unzumutbarkeit berücksichtigt werden müssen, hätte dies mit in die Vertragsformulierung aufgenommen werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Die absolut mißliche Lage der Klägerin werde nicht verkannt. Eine Erweiterung des Tarifvertrages würde einen Verstoß gegen die Tarifautonomie darstellen.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 04.03.1999 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, die am 25.03.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 19.04.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Klägerin ist der Auffassung, bei der Vorschrift des § 2 Abs. 5 a des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung dürfe nicht allein auf den Wortlaut abgestellt werden. Es müsse eine einzelfallbezogene Wertung stattfinden. Es wäre für die Klägerin theoretisch auch ein Umzug von W. zu dem neuen Arbeitgeber nach N. möglich gewesen. Sie hätte jedoch die Kosten für einen Umzug bei ihrem niedrigen Einkommen ohne Ersparnissen nicht zahlen können. Zum anderen hätte sie in N. sicherlich nur eine teurere Wohnung anmieten können als sie zur Zeit habe. Auch dann hätte aber das Problem der Betreuung ihres Sohnes bestanden, da auch dann der Arbeitsbeginn um 5.00 Uhr morgens gewesen wäre. Auch die Einkommenseinbuße sei für sie nicht zumutbar gewesen.

Sie beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 23.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 5.013,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.10.1997 zu zahlen.

Die beklagte Stadt beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, die Aufgaben bei dem Betriebserwerber zu erfüllen. An dem Tätigkeitsfeld habe sich nichts geändert. Persönliche, familiäre oder soziale Gründe seien nicht berücksichtigungsfähig nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung. Ungünstigere tarifliche Arbeitsbedingungen seien unerheblich. Die Klägerin habe nicht auf das Bestehen ihrer bisherigen Arbeitsbedingungen vertrauen können. Im übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Antagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

1.

Das Arbeitsgericht Schwerin hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, § 2 Abs, 5 a des Tarifvertrags zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 25.04.1994 könne nicht dahin verstanden werden, daß zusätzlich zu den genannten Unzumutbarkeitsg...

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