Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifgeltung bei Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

Die vertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages führt zu dessen einzelvertraglicher Geltung, an der sich durch einen Betriebsübergang wegen § 613 Absatz 1 Satz 1 BGB nichts ändert. Ein beim Betriebserwerber geltender Tarifvertrag steht der vertraglichen Weitergeltung nicht entgegen. Dies gilt auch, wenn kein Branchenwechsel vorliegt (insoweit Fortführung von BAG vom 17.11.2010, 4 AZR 391/09).

 

Normenkette

BGB §§ 611, 313

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen 6 Ca 1397/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.12.2012; Aktenzeichen 4 AZR 327/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 17.12.2009 – 6 Ca 1397/09 – wie folgt abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf dem für sie geführten Arbeitszeitkonto 140 Stunden gutzuschreiben.
  2. Es wird festgestellt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 34 Wochenstunden beträgt.
  3. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin die Bestimmungen der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, Stand 01.09.2007, Anwendung finden.
  4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 95 Prozent, die Klägerin zu 5 Prozent.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

In dem unstreitigen Tatbestand des Arbeitsgerichts Schwerin heißt es zum Sachverhalt unter anderem wie folgt:

Die Parteien streiten darum, welche tariflichen Regelungen für ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden und ob sich hieraus klägerische Zahlungsansprüche ergeben.

Die Klägerin ist seit dem 01.09.1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.894,47 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden beschäftigt. Der zwischen der Deutschen Bundespost, TELEKOM, und der Klägerin geschlossene Arbeitsvertrag vom 29.11.1991 (Blatt 1 der Akten) lautet unter 2:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten

  • der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang-O) und die sonstigen Tarifverträge für die Angestellten der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet oder
  • der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb-O) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet

in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Die Zuordnung zum Geltungsbereich des TV Ang-O oder dem des TV Arb-O ergibt sich in Anwendung des § 1 TV Ang-O bzw. des § 1 TV Arb-O aus der jeweils ausgeübten Tätigkeit.”

Die Klägerin hatte zum 01.07.1991 ihre Tätigkeit bei dem Fernmeldeamt Sxxx aufgenommen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging auf die Deutsche Telekom AG (im Folgenden: DT AG) über. Es kamen die mit der Gewerkschaft v. vereinbarten Tarifverträge DT AG in ihrer jeweiligen Fassung zur Anwendung. Im September 2007 kam es zu einem Betriebsübergang auf die Vxxx Cxxx Sxxx GmbH (im Folgenden: VCS), einer 100 %igen Tochter der DT AG.

Mit Schreiben vom 26.07.2007 war die Klägerin darüber informiert worden, dass es sich insoweit um einen Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB handele und ab dem 01.09.2007 der zwischen der Gewerkschaft v. und der VCS am 01.03.2004 abgeschlossene Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses (Umsetzungs-Tarifvertrag für Vxxx Cxxx Sxxx GmbH & Co. KG [VCS] – UTV; Blatt 24 ff. der Akten) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde.

Dieser Tarifvertrag sieht unter anderem eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden und eine Absenkung des Entgelts auf 91,25 % des Entgelts, das die Klägerin unter Zugrundelegung der in der DT AG geltenden Tarifverträge erhalten hätte sowie Kündigungsschutz vor. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht.

Zum 01.03.12008 folgte ein weiterer Betriebsübergang auf die Beklagte. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft v….

Mit Schreiben vom 30.04.2009 forderte die Klägerin die Beklagte auf, auf das Arbeitsverhältnis die tariflichen Regelungen der Deutschen Telekom AG, Niederlassung Spezial, Stand 31.08.2007, anzuwenden, insbesondere die Maßgeblichkeit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden statt 38 Stunden anzuerkennen und die über 34 Wochenstunden hinaus geleistete Arbeitszeit als Überstundenleistung zu bewerten.

Die Klägerin hatte erstinstanzlich beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf dem für sie geführten Arbeitszeitkonto 140 Stunden gutzuschreiben.
  2. Es wird festgestellt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 34 Wochenstunden beträgt.
  3. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin die Bestimmungen der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, Stand 01.09.2007, Anwendung finden.
  4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 768,25 EUR nebst fünf Prozent Zinsen oberhalb des Basiszinssatzes ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Klage s...

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