Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin mit Dienstleistungen überwiegend in der Lehre. Unbegründete Befristungskontrollklage bei Durchführung von Lehrveranstaltungen mit wissenschaftlichem Zuschnitt am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum wissenschaftlichen Personal im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden kann eine wissenschaftliche Dienstleistung sein. Eine Lehrtätigkeit, die sich nach dem vereinbarten Vertragsinhalt auf eine rein repetierende Wiedergabe vorgegebener Inhalte beschränkt, ist nicht als wissenschaftliche Lehre anzusehen, während eine Lehrtätigkeit auch dann eine wissenschaftliche Dienstleistung ist, wenn zwar keine eigenen Forschungsergebnisse gelehrt, sondern Erkenntnisse Dritter vermittelt werden, von dem Lehrenden aber nach dem Vertragsinhalt erwartet wird, dass er diese Erkenntnisse kritisch hinterfragt, sich damit auseinandersetzt und dass er diese eigenen Reflexionen in seine Lehrtätigkeit einbringt (im Anschluss an BAG, Urteil vom 29. April 2015 - 7 AZR 519/13 - Rn. 23, juris = ZTR 2015, 665).

2. Wissenschaftliche Lehre kann auch in den Grundlagenkursen eines Bachelorstudiengangs oder eines Grundstudiums stattfinden.

 

Normenkette

WissZeitVG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 03.02.2015; Aktenzeichen 1 Ca 74/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.03.2018; Aktenzeichen 7 AZR 437/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 03.02.2015 - 1 Ca 74/14 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses nach dem WissZeitVG.

Die am 20.09.1976 geborene Klägerin schloss im Jahr 2003 ihr Studium der Germanistik/Allgemeine Sprachwissenschaften an der Universität L. mit dem Magister ab. Das beklagte Land stellte sie zum 01.04.2010 für die Dauer von sechs Monaten als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität A-Stadt ein. Die Parteien verlängerten später die befristete Beschäftigung um weitere zwei Jahre bis zum 30.09.2012. Parallel dazu arbeitete die Klägerin an einer von der G.-A.-Universität G. betreuten Dissertation zum Thema: "Populäre (Unter)welten. Kriminal-Heftromanserien in der literarischen Kommunikation".

Am 20.02.2012 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 01.10.2012 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag, der sich diesmal auf eine Laufzeit von drei Jahren erstreckt und auf den 30.09.2015 befristet ist. Die Befristung ist ausweislich des Vertrages auf §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gestützt. Arbeitsaufgabe ist die Tätigkeit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin mit Dienstleistungen überwiegend in der Lehre. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 50 v. H. einer vollbeschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiterin. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) sowie die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen, in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Mecklenburg-Vorpommern jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Vergütung der Klägerin richtet sich nach der Entgeltgruppe 13 TV-L.

Nach der Tätigkeitsbeschreibung vom 10.02./20.02.2012 ist die Klägerin dem Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie am Institut für Deutsche Philologie der Universität A-Stadt zugeordnet und hat acht Lehrveranstaltungsstunden in diesem Fachgebiet zu geben, was 80 % ihrer Arbeitszeit entspricht. Zu 20 % der Arbeitszeit sind ihr organisatorische Aufgaben an dem Lehrstuhl übertragen. Die Wahrnehmung der Aufgaben erfordert nach der Tätigkeitsbeschreibung u. a. eine wissenschaftliche Lehrbefugnis und eine wissenschaftliche Befähigung im Fach Neuere deutsche Literatur.

Die Klägerin gab verschiedene Seminare für Studenten im Grundstudium Lehramt Deutsch und im Bachelorstudiengang Germanistik. Hinzu kam die Vorbereitung und Durchführung von mündlichen und schriftlichen Prüfungen (z. B. Hausarbeiten, Klausuren).

Die Prüfungs- und Studienordnung für den Bachelorteilstudiengang Germanistik an der E.-M.-A.-Universität A-Stadt vom 23.08.2012, in Kraft getreten am 01.10.2012, regelt das Studium und das Prüfungsverfahren wie folgt:

"...

§ 2

Zweck von Studium und Prüfung

(1) Das Studium des B.A.-Teilstudiengangs Germanistik soll die Studierenden befähigen, Wissen und Kompetenzen im Umgang mit der deutschen Sprache und Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart zu erwerben u...

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