Entscheidungsstichwort (Thema)

Massenentlassung. Entlassungsbegriff. Vertrauensschutz. Präklusion

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 01.11.2005 – 5 Sa 50/05.

 

Normenkette

KSchG §§ 17-18, 6

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Urteil vom 11.01.2005; Aktenzeichen 3 Ca 2318/04)

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.08.2004 beendet wurde.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und um Probleme der vorgenommenen Massenentlassung.

Der 57 Jahre alte Kläger ist bei der Beklagten seit April 1993 als Zimmerer und Einschaler zu einem Entgelt von zuletzt ungefähr 1.900,00 brutto beschäftigt.

Die Beklagte ist ein Bauunternehmen mit insgesamt mehr als 100 aber weniger als 200 Arbeitnehmern. Die Hauptverwaltung ist in Schwerin angesiedelt und es gibt Betriebsstätten in Schwerin und Rostock, die von der Beklagten als Niederlassungen bezeichnet werden.

Der Kläger ist der Betriebsstätte Rostock zugeordnet. In seinem Arbeitsvertrag heißt es insoweit (vgl. Blatt 4 d. A.):

  1. „Der Arbeitsort des Arbeitnehmers sind die Baustellen der Niederlassung Rostock.
  2. Er ist jedoch auch verpflichtet, nach näherer Anweisung, in anderen Niederlassungen zu arbeiten.”

Für das Gesamtunternehmen ist ein Betriebsrat gewählt worden von den Arbeitnehmern an beiden Standorten.

Der Kläger und die anderen gewerblichen Mitarbeiter aus Rostock haben teilweise selbstständig und teilweise auch gemeinsam mit Kollegen aus Schwerin die Aufträge der Beklagten abgearbeitet. Teilweise sind die Aufträge auch in Kooperation mit Mitarbeitern der UHG GmbH und der NHB GmbH, beides Tochtergesellschaften der Beklagten, abgearbeitet worden.

In Rostock gab es etwa 25 gewerbliche Mitarbeiter und mehrere Bauleiter, Ingenieure und kaufmännische Mitarbeiter, die die Aufträge aquirierten (teilweise streitig), die Baustellen koordinierten und die Abrechnungen vornahmen. Die Personalbuchhaltung erfolgte zentral in Schwerin. Welche Personalbefugnisse der Niederlassungleiter in Rostock hatte, ist zum Teil streitig geblieben. Insgesamt waren vor der Entlassungswelle am Standort Rostock etwa 50 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Niederlassung Rostock hatte zum Schluss nicht mehr kostendeckend gearbeitet; außerdem konnten nicht genügend Aufträge aquiriert werden. Vor diesem Hintergrund hat sich die Unternehmensleitung Mitte August 2004 entschlossen, sämtliches gewerbliches Personal in Rostock zu entlassen und zukünftig die entsprechenden Leistungen allein noch über Nachunternehmer einzukaufen.

Unter dem 18.08.2004 wurde der Betriebsrat über die Absicht unterrichtet, die Arbeitsverhältnisse sämtlicher gewerblicher Arbeitnehmer in Rostock (mit Ausnahme der dort beschäftigten Betriebsratsmitglieder) zu kündigen. Wegen der Einzelheiten wird auf das in Kopie zur Gerichtsakte gelangte dreiseitige Dokument Bezug genommen (Blatt 39 ff d. A.). Danach sollten insgesamt 22 gewerbliche Arbeitnehmer, unter anderem dem Kläger, und eine nicht genau bestimmte Anzahl von Angestellten, gekündigt werden.

Der Betriebsrat hat der Kündigung unter dem 26.08.2004 mit dem Argument widersprochen, im Rahmen der Sozialauswahl hätten auch die gewerblichen Mitarbeiter am Standort in Schwerin einbezogen werden müssen.

Am 30.08.2004 ist es schließlich zum Abschluss eines Interessenausgleiches und eines Sozialplans gekommen; auf die überreichten Kopien der beiden Dokumente wird Bezug genommen. Der Sozialplan sieht Abfindungen in Höhe von 100,00 pro Jahr der Betriebszugehörigkeit für die gekündigten Arbeitnehmer vor. Der Interessenausgleich mit der gesondert unterzeichneten Namensliste lag in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht in einem parallelen Rechtsstreit im Original vor und wurde vom Gericht in Augenschein genommen. Die Namensliste umfasst 25 Mitarbeiter der Niederlassung Rostock, unter anderem den des Klägers.

Die Beklagte hat sodann mindestens gegenüber 23 der auf der Liste aufgeführten Arbeitnehmern unter dem 30.08.2004 eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Dem Kläger ist die Kündigung wie den meisten anderen Arbeitnehmern am 31.08.2004 zugegangen. Die Kündigung erfolgte beim Kläger zum 31.12.2004.

Ein gesondertes Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG hat die Beklagt ebenso wenig durchgeführt wie eine Anzeige der beabsichtigten Entlassungen bei der Bundesagentur für Arbeit. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gab es auch keine Versuche der Beklagten, die Bundesagentur noch einzuschalten.

Im April oder Mai 2005 hat die Beklagte – nach Einschaltung der Bundesagentur – dem Kläger und den übrigen klagenden Arbeitnehmern nochmals vorsorglich eine weitere betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen, die der Kläger in einem gesonderten Rechtsstreit gerichtlich angegriffen hat.

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