Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigungen der finanziellen Belastung durch Anschaffung und Betrieb eines Pkw bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Pauschale nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch soll nicht die Gesamtkosten eines Pkw, der üblicherweise nicht nur beruflich angeschafft, sondern auch privat genutzt wird, in vollem Umfang abdecken. Vielmehr dient sie dazu, die reinen Betriebskosten eines angemessenen Fahrzeugs einschließlich der Steuern annähernd auszugleichen.

2. Darlehensschulden und Abzahlungsverpflichtungen, welche die Partei in Kenntnis bestehender oder bevorstehender Verfahrenskosten aufgenommen hat bzw. die sie in Ansehung des Prozesses oder nach dessen Aufnahme eingegangen ist, sind in der Regel nicht als besondere Belastungen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigen.

 

Normenkette

ZPO §§ 115, 120a; SGB XII § 82; DVO zu § 82 SGB XII § 3; ZPO § 113 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 02.08.2022; Aktenzeichen 4 Ca 391/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 06.09.2022 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Schwerin vom 02.08.2022 - 4 Ca 391/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Das Arbeitsgericht bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 11.05.2020 ratenfreie Prozesskostenhilfe. Der Rechtsstreit endete durch den in der Güteverhandlung vom 20.04.2020 geschlossenen Vergleich. Die von der Staatskasse an den beigeordneten Anwalt gezahlte Vergütung belief sich auf € 1.551,76. Die Differenz zu den Wahlanwaltsgebühren beträgt € 1.231,06.

Mit Schreiben vom 17.05.2022 forderte das Arbeitsgericht den Kläger anlässlich der Prozesskostenhilfenachprüfung zur Abgabe einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf, die der Kläger mit Datum vom 06.06.2022 einreichte. Ausweislich dieser Erklärung steht der Kläger seit dem 01.06.2020 in einem neuen Beschäftigungsverhältnis. Im Mai 2022 belief sich das Bruttogehalt auf € 4.000,00, woraus sich ein Nettobetrag von € 2.540,75 ergab. Auf dem Girokonto befand sich ein Guthaben von € 17.702,26.

Mit Schreiben vom 09.06.2022 verwies das Arbeitsgericht auf die Pflicht der Partei, ihr Vermögen, soweit es den Schonbetrag übersteigt, für die Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen, und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger widersprach einer Anrechnung und berief sich darauf, einen Betrag von ca. € 15.000,00 für die Anschaffung eines Pkw als Ersatz für sein bereits 20 Jahre altes Fahrzeug angespart zu haben. Das Arbeitsgericht ordnete daraufhin nicht den Einsatz des Vermögens an, sondern mit Beschluss vom 02.08.2022 - nach nochmaliger Anhörung des Klägers - eine Ratenzahlung und setzte die Höhe der monatlichen Rate auf € 249,00 fest. Dem liegt die folgende Berechnung zugrunde:

Einkünfte

Nettoeinkommen

€ 2.540,75

Abzüge

Kfz-Haftpflichtversicherung

€ 50,05

Fahrtkosten: Einfache Strecke 110 km x € 5,20

€ 572,00

Freibetrag Erwerbstätigkeit

€ 225,00

Freibetrag Partei

€ 494,00

Miete, Heiz- und Nebenkosten

€ 700,00

Anrechenbares Einkommen

€ 499,70

PKH Rate (gerundet)

€ 249,00

Gegen diesen, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 08.08.2022 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schreiben vom 06.09.2022 fristgerecht Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er auf die Notwendigkeit einer Pkw-Nutzung verwiesen sowie erstmals seine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 70 geltend gemacht. Unter dem 09.09.2022 hat das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Beschwerde weitere Angaben bzw. Unterlagen angefordert und dem Kläger hierfür eine Frist von drei Wochen gesetzt. Da eine Reaktion des Klägers ausblieb, hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese mit Beschluss vom 11.10.2022 dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Auf die ausführliche Begründung zu diesem Beschluss wird verwiesen.

Im Beschwerdeverfahren führt der Kläger an, dass die Berechnung der Fahrtkosten mit dem Pauschalbetrag von € 5,20 je Entfernungskilometer nicht mehr zeitgemäß sei. Verfassungsrechtlich sei es geboten, die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Ein Elektroauto der unteren Mittelklasse koste nach Angaben des ADAC 61,4 Cent pro gefahrenen Kilometer, sodass sich bei dem Kläger schon arbeitstäglich ein Aufwand von etwa € 135,00 ergebe.

Des Weiteren hat der Kläger eine Rechnung der T. G. GmbH vom 18.08.2022 über € 65.920,00 für den Kauf eines Pkw am 16.08.2022 sowie einen Darlehensvertrag vom 29.07.2022 mit seinem Vater über ein zinsloses Darlehen von € 60.000,00 zur Finanzierung des Pkw zur Akte gereicht. Das Darlehen ist laut Vertrag ab dem 15.09.2022 mit monatlichen Raten von € 700,00 zu tilgen, wobei mit der ersten Rate eine Einmalzahlung von € 6.000,- fällig wird.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 567 Abs. 2 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG zulässig, aber nicht begründet. Die ...

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