Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Sozialarbeiters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Tätigkeit des Leiters eines städtischen Jugendhauses, der auch dann, wenn er Sozialarbeit verrichtet, für die gesamten Abläufe im Jugendheim verantwortlich ist, besteht aus einem einzigen großen Arbeitsvorgang.

2. Es ist nicht erforderlich, daß innerhalb eines solchen Arbeitsvorganges Tätigkeiten mit Qualifizierungsmerkmalen – besondere Schwierigkeit und Bedeutung – mindestens zu 50 % anfallen. Es genügt, wenn Tätigkeiten mit Qualifizierungsmerkmalen innerhalb des Arbeitsvorganges in nicht unerheblichem Umfang anfallen.

3. 34 % der Arbeitszeit stellen einen nicht unerheblichen Anteil an der Gesamtarbeitszeit dar.

 

Normenkette

Anlage 1 a zum BAT, Vergütungsgruppen IV a, III, II

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 14.07.1993; Aktenzeichen 15 Ca 897/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.06.1996; Aktenzeichen 4 AZR 94/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.07.1993 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 15 Ca 897/93 – teilweise abgeändert.

Unter Abweisung der Klage im übrigen wird auf den Hilfsantrag des Klägers festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 01.01.1991 Vergütung nach der Gruppe III der Anlage 1 a zum BAT zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist Diplompädagoge und Sozialarbeiter. Seit dem 01.04.1971 ist er Leiter des städtischen Jugendhauses (Jugendamt, Sachgebiet Notdienst und Krisenhilfe). Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Zur Zeit erhält der Kläger Vergütung nach der Gruppe IV a Fallgruppe 16 BAT/VKA.

Das in einer alten Villa untergebrachte städtische Jugendhaus umfaßt die Schutzstelle mit Schlafräumen für 12 bis höchstens 18 Jugendliche sowie Besprechungs- und Aufenthaltsräume. Das Jugendhaus ist Anlaufstelle für verwahrloste, nicht mehr heimfähige Jugendliche ab zehn Jahre, die sich entweder aus eigener Initiative dort hinwenden oder von der Polizei aufgegriffen und hingebracht oder von Hilfsstellen vermittelt werden. Unter ihnen sind Drogenabhängige, Aidskranke, Stricher, entlassene Häftlinge, Nichtseßhafte und psychisch Kranke. Viele der Kinder und Jugendlichen im Alter ab zehn Jahre sind extrem aggressiv und gewalttätig. Jährlich kommen etwa 500 Kinder und Jugendliche in das Jugendhaus. Maximal können sie dort sechs Monate bleiben.

Außerdem besteht ein Jugendnotdienst. Dabei handelt es sich um einen Telefondienst rund um die Uhr für betroffene Jugendliche. Hier treffen auch Meldungen von Erwachsenen über verwahrloste, mißhandelte oder bei Straftaten aufgegriffene Kinder und Jugendliche ein.

Die im Jugendhaus verweilenden Kinder und Jugendlichen werden nach einem besonderen Konzept mit der Bezeichnung „betreutes Wohnen” betreut.

Der Kläger ist Dienstvorgesetzter von zehn Sozialarbeitern und zwei ABM-Kräften, einer sozialpädagogischen Gruppenhälferin und von acht Honorarkräften, die im Nachtdienst eingesetzt sind. Er ist verantwortlich für den Personaleinsatzplan sowie für Schulung und Fortbildung der Mitarbeiter. Bei Problemfällen muß er die ihm unterstellten Mitarbeiter unterstützen. Er muß die Arbeit des Hauses mit den übrigen Systemen sozialer Hilfe koordinieren. Schließlich ist der Kläger für Verwaltungsangelegenheiten wie Hausverwaltung, Haushaltsanmeldung, Haushaltsüberwachung und Sicherstellung der Verpflegung für das betreute Wohnen und die Schutzstelle zuständig. Der Kläger ist ausschließlich in der Tagesschicht eingesetzt.

Mit Schreiben vom 06.01.1992 beantragte der Kläger rückwirkend unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag über die Eingruppierung der Angestellten im Sozial- und Erziehungsdienst vom 24.04.1991 seine Höhergruppierung. Das lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 12.08.1992 ab.

Mit seiner am 28.01.1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sein Höhergruppierungsbegehren weiterverfolgt. Er verlangt nunmehr rückwirkend ab 01.01.1991 Vergütung nach der Gruppe II BAT.

Dazu hat er vorgetragen, 50 % seiner Arbeitszeit verwende er für Leitungsaufgaben. In der restlichen Zeit verrichte er normale Sozialarbeit. Jedoch sei die Leitungsfunktion untrennbar mit der Gesamttätigkeit verbunden. Die Sozialarbeit falle bei der Schutzstelle zu 55 % an, im Rahmen des telefonischen Notdienstes zu 35 % und beim betreuten Wohnen zu 10 %. Er hebe sich mit seiner gesamten Tätigkeit durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Gruppe IV b BAT heraus. Außerdem sei seine Leitungsfunktion mit einem besonderen Maß an Verantwortung verbunden, so daß er mit Rücksicht auf die langjährige Tätigkeit in die Vergütungsgruppe II a BAT eingruppiert sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger rückwirkend...

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