Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Schmerzensgeld. Haftungsausschluss. Minijobber

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht kein berechtigter Anlass, die bereits mehrfach vom Bundesverfassungsgericht bejahte verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Haftungsausschlusses nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII bei Arbeitsunfällen sogenannter Minijobber anders zu bewerten.

2. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber Minijobbern, die Flurförderfahrzeuge bedienen, entgegen den Unfallverhütungsvorschriften und anders als bei Vollzeitkräften keine Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt hat, begründet nicht den Vorwurf, er habe vorsätzlich den Unfall (Überfahren eines Fußes) und dessen Folgen (Bruch des Fußes) verursacht.

 

Normenkette

SGB VII § 104 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 12.06.2007; Aktenzeichen 1 Ca 1/07)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 27.02.2009; Aktenzeichen 1 BvR 3505/08)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 12. Juli 2007 – 1 Ca 1/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 27. Juni 2003 sowie Schmerzensgeld verlangen kann.

Der Kläger, geboren am 23. Februar 1945, war bei der Beklagten seit dem 2. Juni 2003 zur Aushilfe zur Kommissionierung im Zentrallager in M auf EUR 400,00-Basis (Minijob) beschäftigt. Dabei benutzte er motorbetriebenes Flurförderfahrzeug (Ameise).

Am 27. Juni 2003 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, der in der Unfallanzeige der Beklagten vom 22. Dezember 2003 an die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft wie folgt beschrieben worden ist: Er wollte mit seinem beladenen Fahrzeug in eine Kurve fahren. Da der Winkel nicht stimmte und er nicht hineinfahren konnte, setzte er rückwärts zurück, wobei laut Aussage von Herrn R das Fahrzeug aus nicht erklärbaren Gründen schneller wurde und in Richtung Wand fuhr. Aus Furcht sprang er vom fahrenden Flurförderfahrzeug ab. Dieses fuhr ihm über den linken Fuß.

Da das Kraftfahrzeug mit einer automatischen Sicherung ausgestattet ist, kam es vor einem Aufprall an der Wand zum Stehen.

Der Kläger, dem die Beklagte nicht entsprechend den Unfallverhütungsvorschriften Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt hatte, erlitt eine schwere Fußverletzung, wegen derer sich der Kläger erstmals am 3. Dezember 2003 in ärztliche Behandlung begab, und zwar in die Ambulanz des St. P K in Bonn. Dort wurde ein in der Zwischenzeit deform-verheilter Verrenkungsbruch der Basis des ersten Mittelfußknochens am linken Fuß diagnostiziert.

Nach dem Unfall am 27. Juni 2003 war der Kläger von einem Mitarbeiter in den Aufenthaltsraum des Zentrallagers der Beklagten gebracht worden. Dort wartete der Kläger eine Dreiviertelstunde vergebens auf einen Vorgesetzten, den er unterwegs angetroffen hatte und der versprochen hatte, sich sogleich um ihn zu kümmern. Danach ließ er sich gegen Entgelt in Höhe von EUR 20,00 von zwei Mitarbeitern nach Hause bringen.

Am 3. Juli 2003 telefonierte der Kläger mit einem Mitarbeiter der Beklagten, der ihm empfahl, sich bei der Beklagten wieder zu melden, wenn er wieder gesund sei, bis dahin habe auch die Unfallanzeige an die Berufsgenossenschaft Zeit, für die er ohnehin wieder in den Betrieb kommen müsse. Auch in der Folgezeit gab es telefonischen Kontakt zwischen dem Kläger und Mitarbeitern der Beklagten über die Unfallanzeige. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2003 teilte der Kläger der Beklagten mit, trotz eines an sich guten Heilungsverlaufs schwelle der Fuß bei jeder stärkeren Belastung unverändert an und schmerze. Deshalb könne er auf nicht absehbare Zeit seine Arbeit nicht wieder aufnehmen. Am 29. September 2003 habe ihm ein Mitarbeiter der Beklagten erklärt, Voraussetzung für die Erstattung der Unfallanzeige sei eine ärztliche Krankschreibung. Er, der Kläger, besitze aber leider keine Krankenversicherung mehr, so dass die Berufsgenossenschaft die medizinische Abklärung der Unfallfolgen veranlassen und bezahlen müsse.

Die Berufsgenossenschaft hat anerkannt, dass ein Arbeitsunfall vorlag.

Sie zahlte dem Kläger nach § 45 SGB VII ein Verletztengeld in Höhe von EUR 9,71 und ab 1. Juli 2004 in Höhe von EUR 9,83 pro Kalendertag für den Zeitraum 28. Juni 2003 bis 23. Dezember 2004 unter Berücksichtigung des vom Kläger vom 30. Juni 2003 bis zum 10. August 2003 bezogenen Arbeitsentgelts.

Nachdem das Sozialgericht Köln in dem vom Kläger gegen die Berufsgenossenschaft angestrengten Klageverfahren ein ärztliches Fachgutachten vom 27. Oktober 2006 eingeholt hatte, hat die Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27. November 2006 festgestellt, dass ihm – ab dem 24. Dezember 2004 – auf unbestimmte Zeit eine Rente in Höhe von monatlich EUR 190,40 wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 % zusteht. Dabei hat sie nachstehende Folgen des Arbeitsunfalls berücksichtigt:

Knöchern fest verheilter Bruch der Basis de...

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