Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung; tarifvertraglich unkündbarer Arbeitnehmer. außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Nachweis- und Meldepflichten im Krankheitsfall. Nebenpflichtverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzlich können auch Verstöße gegen die in § 5 EFZG begründeten Nachweis- und Meldepflichten im Krankheitsfall geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung i. S. v. § 626 BGB zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch regelmäßig – neben einschlägigen Abmahnungen – besondere Umstände des Einzelfalls voraus.

2. Im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung kommt gegenüber einem tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist regelmäßig nur dann in Betracht, wenn auch eine außerordentliche Kündigung ohne soziale Auslauffrist rechtswirksam wäre.

 

Normenkette

EFZG § 5; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 14.05.2009; Aktenzeichen 10 Ca 9238/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.05.2009 in Sachen 10 Ca 9238/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 24.10.2008, die hilfsweise auch mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2009 ausgesprochen wurde.

Der am 02.07.1967 geborene Kläger ist geschieden und für ein Kind unterhaltsberechtigt. Er befand sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht in Privat-Insolvenz.

Seit dem 12.11.1990 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Müllwerker. Er verdient ca. 2.400,00 EUR brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis ist der TVöD-VKA anwendbar. Nach § 34 Abs.2 TVöD ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

Die Beklagte hat über die Melde- und Nachweispflichten, die ihre Arbeitnehmer im Falle einer Erkrankung einzuhalten haben, ein Merkblatt entwickelt, welches dem Kläger am 27.04.2001 in deutscher und türkischer Sprache ausgehändigt wurde (Bl. 64 f. d. A.). In diesem Merkblatt heißt es u. a.:

„1. Bei Erkrankungen habe ich meinen Arbeitgeber rechtzeitig vor Arbeitsbeginn zu unterrichten. Das bedeutet, wenn meine Arbeit z. B. um 06:00 Uhr beginnt, muss ich bis spätestens 06:00 Uhr meinen Arbeitgeber unterrichtet haben …

Dauert die Erkrankung länger als drei Kalendertage, habe ich meinem Arbeitgeber spätestens am darauffolgenden allgemeinen Arbeitstag eine Dienst- oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes einzureichen, aus der der Beginn und die voraussichtliche Dauer der Erkrankung hervorgehen.

Ich bin verpflichtet, mich am letzten Tag der bisher gemeldeten Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit bei meinem Arbeitgeber zu melden und mitzuteilen, ob ich weiterhin krank bin oder am nächsten Arbeitstag meine Arbeit wieder aufnehme.

3. Ist in der von mir eingereichten Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die voraussichtliche Dauer der Erkrankung angegeben und dauert die Erkrankung länger, habe ich meinen Arbeitgeber unverzüglich über die Fortdauer der Erkrankung zu unterrichten (s. Ziff. 1 S. 1) und unverzüglich ein Anschlussattest vorzulegen … ” (Bl. 64 d. A.)

Am 22.01.2007 erhielt der Kläger von der Beklagten eine schriftliche Ermahnung (Bl. 60 d. A.). Hierin wird beanstandet, dass der Kläger sich bei einer am 05.01.2007 beginnenden Arbeitsunfähigkeitszeit nicht bis zum Arbeitsbeginn um 06:00 Uhr gemeldet habe, sondern erst um 06:15 Uhr.

Der Kläger hat hierzu behauptet, die telefonische Krankmeldung sei um 06:05 Uhr erfolgt. Er habe versucht, vor Dienstbeginn bei der Beklagten anzurufen, jedoch sei zu diesem Zeitpunkt noch niemand ans Telefon gegangen.

Am 17.09.2007 erhielt der Kläger eine weitere schriftliche Ermahnung (Bl. 61 f. d. A.). Diese bezieht sich darauf, dass der Kläger nach einer vom 30.08. bis 09.09.2007 andauernden Arbeitsunfähigkeitsperiode am 10.09.2007 wieder zur Arbeit erschienen sei, ohne der Beklagten vorher seine Genesung mitgeteilt zu haben.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe am Vortag einen Kollegen gebeten, Bescheid zu sagen, was dieser jedoch vergessen habe.

Am 24.01.2008 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung (Bl. 66 f. d. A.). Hierin wirft die Beklagte dem Kläger vor, eine zunächst für die Zeit vom 09.01. bis 13.01.2008 attestierte Arbeitsunfähigkeit am ersten Tag der Erkrankung erst 45 Minuten nach Arbeitsbeginn gemeldet zu haben. Sodann habe der Kläger zwar rechtzeitig angezeigt, dass er auch über den 13.01.2008 hinaus arbeitsunfähig sei. In der dann vorgelegten weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei der 14.01.2008 jedoch ausgespart.

Der Kläger hat eingewandt, am 09.01.2008 sei er derart krank gewesen, dass er sich nicht früher, als geschehen, habe melden können. Soweit das nachfolgende ärztliche Attest den 14.01.2008 ausspare, handele es sich lediglich um einen Schreibfehler des Arztes.

Mit Datum vom 25.07.2008 erteilte die Beklagte dem Kläger eine w...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge