Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Berufsausbildungsverhältnis. Unentschuldigtes Fehlen einer Auszubildenden. Kündigung kurz vor Abschlussprüfung. Erfordernis einer vorherigen Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

Unentschuldigtes Fehlen einer Auszubildenden kurz vor der Abschlussprüfung rechtfertigt nur ausnahmsweise eine Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses.

 

Normenkette

BBiG § 22 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 28.06.2012; Aktenzeichen 10 Ca 5683/11)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.06.2012 - 10 Ca 5683/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses, Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs und die Erteilung eines Zeugnisses.

Die Klägerin stand seit dem 01.09.2008 bei dem Beklagten in einem Ausbildungsverhältnis als Goldschmiedin. Mit Schreiben vom 20.05.2011 (Bl. 53 d. A.) mahnte der Beklagte die Klägerin ab, weil er an der attestierten Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 03.05.2011 bis 13.05.2011 zweifelte, da die Klägerin in diesem Zeitraum die Berufsschule besucht hatte. Nachdem die Klägerin nach Ablauf der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit weiterhin im Betrieb des Beklagten fehlte kündigte dieser mit Schreiben vom 30.05.2011 das Ausbildungsverhältnis fristlos. Die Klägerin bestand am 13.07.2011 die Abschlussprüfung. Ausweislich ärztlicher Bescheinigung vom 09.09.2011 (Bl. 72 d.A.) litt die Klägerin im attestierten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit an einer Gastritis und es bestand der Verdacht einer depressiven Entwicklung aufgrund wiederholter Auseinandersetzungen mit dem Ausbilder. Der behandelnde Arzt hatte der Klägerin angesichts der bevorstehenden Abschlussprüfung empfohlen, die Berufsschule trotz der Erkrankung weiter zu besuchen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.06.2012 (Bl. 86 ff. d.A.) u.a. erkannt, dass die Kündigung vom 30.05.2011 das Ausbildungsausbildungsverhältnis nicht aufgelöst worden sei, der Beklagte die Ausbildungsvergütung für die Zeit der attestierten Arbeitsunfähigkeit sowie für den Zeitraum vom 31.05.2011 bis zum 13.07.2011 schulde und verpflichtet sei, der Klägerin ein Zeugnis zu erteilen. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe, wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihm am 13.07.2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 13.08.2012 Berufung eingelegt und diese am 07.09.2012 begründet.

Der Beklagte führt aus, die Klägerin habe wiederholt trotz Abmahnung unentschuldigt gefehlt. Die Klägerin habe die Zweifel des Beklagten an der attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht umgehend ausgeräumt, so dass der Beklagte davon habe ausgehen müssen, dass sein Vorhalt des unentschuldigten Fehlens gerechtfertigt gewesen sei. Die Klägerin sei während der Zeit attestierter Arbeitsunfähigkeit bzw. im Zeitraum vom 13.05.2011 bis zum Ausspruch der Kündigung beim Goldschmied H tätig gewesen und mit ihrem Lebensgefährten in die T in Urlaub geflogen.

Der Beklagte beantragt,

teilweise abändernd die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.06.2012, Az.: 10 Ca 5683/11, zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Abmahnung vom 20.05.2012 sei mangels Abmahnungsgrund unwirksam, der Vortrag des Beklagten zur anderweitigen Arbeitstätigkeit und dem Urlaub unzutreffend und widersprüchlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die im Berufungsverfahren zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 22.01.2013 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Beklagten ist nach § 64 Abs. 2 b), c) ArbGG statthaft. Sie ist mangels jedweder Begründung unzulässig, soweit sie sich gegen die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses richtet. Die Berufungsbegründung muss unter anderem die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthalten, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Bei einem teilbaren Streitgegenstand muss sich die Berufungsbegründung in hinreichend bestimmter Weise auf alle Teile des Urteils erstrecken, deren Änderung beantragt wird. Die Berufung ist unzulässig, soweit eine solche Begründung fehlt (BGH, Urt. 11.11.1999 - VII ZR 68/99 - m.w.N.). Im Übrigen ist die Berufung zulässig, denn sie wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist unbegründet.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung vom 30.05.2011 das Ausbildungsverhältnis nicht aufgelöst hat

a) Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit nur aus e...

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