Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht als wirksamer fristloser Kündigungsgrund. Gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei nicht mehr zu erwartender Zusammenarbeit der Prozessparteien

 

Leitsatz (amtlich)

Unwahrer Prozessvortrag als Auflösungsgrund

 

Normenkette

KSchG §§ 9-10; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 05.09.2019; Aktenzeichen 14 Ca 365/18)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.09.2019 - 14 Ca 365/18 - teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.12.2017 aufgelöst worden ist.
    2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird zum 31.03.2018 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 24.310,00 € brutto zu zahlen.
    3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 33.000,00 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 7.838,10 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

      • -

        aus einem Betrag in Höhe von 11.000,00 € brutto abzüglich 2.612,70 € netto seit dem 01.02.2018,

      • -

        aus weiteren 11.000,00 € brutto abzüglich 2.612,70 € netto seit dem 01.03.2018,

      • -

        aus weiteren 11.000,00 € brutto abzüglich 2.612,70 € netto seit dem 01.04.2018

      zu zahlen.

    4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.800,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2018 zu zahlen.
    5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.950,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen.
    6. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen werden die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 % und die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 20 % zu tragen.

  • IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Auflösung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung und zweitinstanzlich außerdem über einen gerichtlichen Auflösungsantrag sowie über Vergütungsansprüche.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen der Touristikbranche. Sie betreibt unter der Marke "H " insbesondere ein Hotelbuchungsportal für Geschäfts- und Privatreisende. Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Es besteht ein Betriebsrat; ein Sprecherausschuss existiert nicht.

Der im Jahr 1962 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war von Januar 2004 bis Oktober 2013 bei anderen Unternehmen als Leiter Personal bzw. Manager Human Resources tätig. Bei der Beklagten ist er seit dem 01.10.2017 beschäftigt. Grundlage der Tätigkeit ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 27.06.2016. Danach wurde der Kläger als Director Human Resources EMEA eingestellt. Zuletzt tätig war er als HR Business Partner ES (Enterprise Solutions). Nach § 1 des Arbeitsvertrages ist er leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG. Die Betriebszugehörigkeit rechnet gemäß § 3 des Arbeitsvertrages seit dem 01.11.2013. Das vertraglich vereinbarte Bruttomonatsgehalt des Klägers beträgt 11.000 €. Hinzu kommt nach § 6 des Arbeitsvertrages ein variabler Bonus. Auf den schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 11 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Im Übrigen wird wegen des gesamten erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils vom 05.09.2019 Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage überwiegend stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.12.2017 aufgelöst worden ist. Es hat die Beklagte weiter verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen und ihn über den 31.03.2018 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen auf der Grundlage des Anstellungsvertrages als Director Human Resources EMEA bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Schließlich hat es die Beklagte zur Vergütungszahlung in Höhe von 220.000 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 47.282,40 € netto sowie zur Zahlung eines Bonus in Höhe von 19.800 € brutto verurteilt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Zur Begründung der klagestattgebenden Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche und fristlose Kündigung sei nicht von einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB getragen und daher rechtsunwirksam. Zwar sei e...

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