Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Internet

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Zustimmungsersuchen nach § 103 BetrVG wegen einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds hat der Arbeitgeber die Gründe, die er zur Grundlage der beabsichtigten Kündigung machen will, hinreichend zu verdeutlichen.

2. Zur Prüfung der Umstände des Einzelfalles bei unberechtigter Internetnutzung am Arbeitsplatz.

 

Normenkette

BGB § 626; BetrVG § 103

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 24.09.2008; Aktenzeichen 4 Ca 1126/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 24.09.2008 – 4 Ca 1126/08 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 24.04.2008 sowie um einen Zwischenzeugnisanspruch des Klägers.

Der am 24.11.1948 geborene Kläger ist seit dem 01.01.1985 als Verkäufer für Kopiersysteme in B. bei der Beklagten beschäftigt. Sein Jahreseinkommen beträgt 67.450,41 EUR brutto. Der Kläger ist seit ca. zehn Jahren Mitglied des für die Standorte K., B. und A. gebildeten Betriebsrates.

Bundesweit sind für die Beklagte mehrere hundert Mitarbeiter tätig.

Mit Schreiben vom 24.04.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich und fristlos, nachdem sie zuvor mit Schreiben vom 21.04.2008 den Betriebsrat hierfür um Zustimmung ersucht hatte.

Gegen die Kündigung vom 24.04.2008 wendet sich der Kläger mit seiner am 05.05.2008 per Telefax beim Arbeitsgericht in B. eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Der Kläger hat geltend gemacht, das Geschehen vom 08.11.2007 rechtfertige nicht die Annahme eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien. Zwar habe der Kläger in einem Zeitraum von ca. 60 bis 90 Minuten an der Akquiseaktion für die Beklagte nicht teilgenommen. Er habe dies allerdings bei dem Leiter der Region West der Beklagten, Herrn M., damit entschuldigt, dass er mit seinem in psychiatrischer Behandlung befindlichen Bruder zu einem Arzt gefahren sei. Damit sei die Angelegenheit erledigt gewesen. Erst mit Schreiben vom 15.02.2008 habe die Beklagte den Kläger aufgefordert, eine schriftliche Bestätigung des Arztes beizubringen, woraufhin der Kläger darauf hingewiesen habe, dass der Arzt Dr. K. seine Praxis aufgegeben habe und deshalb schwer zu erreichen sei. Am 03.04.2008 sei der Kläger erneut deswegen abgemahnt worden. Zudem sei er aufgefordert worden, einen entsprechenden Nachweis bis 11.04.2008 zu erbringen. Der Kläger sei wegen der arbeitgeberseitig erfolgten Freistellung wenig zu Hause gewesen und habe die Frist zum 11.04.2008 übersehen. Der Kläger habe dann die Originalbescheinigung am 22.04.2008 an die Beklagte gefaxt und zudem das Original übersandt. Tatsächlich sei der Kläger am 08.11.2007 zwischen 10:00 Uhr und 11:00 Uhr mit seinem Bruder in B. beim Zahnarzt Dr. K. gewesen. Zur Begründung der außerordentlichen Kündigung vom 24.04.2008 dürfe sich die Beklagte auf eine vom Kläger bestrittene unberechtigte Internetnutzung nicht berufen. Zum einen sei ein Verwertungsverbot zu berücksichtigen, da die Beklagte die Grenzen der Kontrolle nach der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung zur Nutzung von E-Mail und Internet vom 26.07.2007 nicht berücksichtigt habe. Der Kläger habe ohnehin die dort geregelte zulässige Dauer der Privatnutzung von 45 Minuten nicht überschritten. Ein Zugriff auf den PC des Klägers durch die Arbeitgeberseite am 12.12.2007 habe diese nicht substantiiert begründet, da sie einen konkreten Verdacht, der diese Vorgehensweise rechtfertige, nicht dargetan habe. Die von der Beklagten aufgelisteten Internetseiten habe der Kläger nicht aufgerufen; auch andere Mitarbeiter hätten Zugang zu den PC's der Kollegen. Eine konkrete Gefährdung der Interessen der Beklagtenseite sei durch das von ihr behauptete Aufrufen von Pornographieseiten ohnehin nicht dargelegt worden. Hinsichtlich des Geschehens vom 08.11.2007 sei die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten, da die Beklagte seit dem Gespräch des Klägers mit Herrn M. eine vollständige Kenntnis des betreffenden Sachverhalts erlangt habe, so dass weitere Ermittlungen nicht notwendig gewesen seien. Der Kläger hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten. Hinsichtlich des Geschehens vom 08.11.2007 sei die Erklärung des Klägers gegenüber Herrn M. nicht aufgeführt. Die jeweiligen E-Mails seien nicht verwertet worden. Hinsichtlich der behaupteten Pornographie-Internetnutzung sei nicht näher dargelegt, dass tatsächlich pornographische Seiten und nicht solche anderen Inhalts vom Kläger aufgerufen worden seien. Der Kläger hat die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung bestritten. Die Beklagte habe ein Sitzungsprotokoll einer entsprechenden Betriebsratssitzung nicht vorgelegt. Hinsichtlich der Begründung der Kündigung mit der Inte...

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