rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnüberzahlung. Bereicherungsrecht. Brutto. Entreicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Lohnüberzahlungen sind – auch nach Bereicherungsrecht – in Höhe ihres Brutto-Betrages zurückzuzahlen – jedenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

 

Normenkette

BGB §§ 812, 818 Abs. 3, § 819

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Urteil vom 21.02.1995; Aktenzeichen 5 Ca 2421/94)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.02.1995 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg – 5 Ca 2421/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 9.289,24 DM.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Gehaltsüberzahlungen.

Der klagende Verein war Arbeitgeber der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis ist seit Ende 1994 beendet. Durch Reduzierung der Arbeitszeit ab Januar 1992 reduzierte sich auch der Gehaltsanspruch der Beklagten. Das wurde jedoch von der Buchhaltung des Klägers übersehen, so daß es im Laufe der Zeit zu einer Überzahlung von insgesamt rd. 35.000,– DM kam. Die Rückzahlungsansprüche des Klägers sind jedoch aufgrund von anzuwendenden Vertragsrichtlinien überwiegend verfallen. Nicht davon erfaßt sind die Überzahlungen für die Monate September 1993 bis Februar 1994 in Höhe von 9.289,24 DM brutto. Die Parteien streiten zum einen darum, ob die Beklagte sich schuldbefreiend auf Entreicherung berufen kann sowie darum, ob die Überzahlungen mit ihren Brutto-Beträgen zurückzuerstatten sind oder nur in Höhe der vorgenommenen Netto-Auszahlung.

Gegenüber dem Entreicherungseinwand beruft sich der Kläger auf § 819 BGB mit der Behauptung, die Beklagte sei bösgläubig im Sinne dieser Vorschrift gewesen. Er begründet dies mit dem unstreitigen Umstand, daß die monatlichen Gehaltsabrechnungen der Beklagten unverändert den früheren Zeitschlüssel 33/38,5 Stunden auswiesen, obwohl sich die Arbeitszeit der Beklagten von 33 Stunden auf 20 Stunden in der Woche reduziert hatte. Die Rückforderung der Brutto-Beträge begründet der Kläger mit Rechtsausführungen.

Dem hat sich das Arbeitsgericht angeschlossen und der Klage insoweit stattgegeben, als sie nicht vom Verfall betroffen war (9.289,24 DM). Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter: Bösgläubigkeit könne ihr nicht vorgeworfen werden, weil sie die Überzahlungen nicht als solche erkannt habe; dies sei verständlich, da nach Umstellung der Arbeitszeit vermehrt zuschlagspflichtige Stunden angefallen seien, so daß die sie allein interessierende Netto-Differenz nicht erheblich gewesen sei. Außerdem könnten von ihr allenfalls die Netto-Beträge zurückgefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen;

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben: Die Beklagte hat die geforderten Beträge (zumindest) nach Bereicherungsrecht zurückzuzahlen.

1) Die Entstehung der einzelnen Ansprüche ist zwischen den Parteien dem Grunde nach nicht streitig. Zur Höhe ist der Standpunkt des Klägers zutreffend: Der Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers auf Rückerstattung von Lohnüberzahlungen besteht – jedenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – in Höhe der Brutto-Zahlungen und erfaßt damit auch die abgeführten Steuern und Sozialabgaben. Denn der Arbeitnehmer ist auch um diese Zahlungen bereichert (LAG Hamm, Urteil vom 25.01.1980 – 5 Sa 1140/79; Müller in DB 1978, 935 ≪938≫ unter IV.). Sie sind nämlich in seinem Auftrag, in seinem Namen und für seine Rechnung erfolgt, um eine ihn treffende Schuld zu begleichen. Die Rechtslage ist keine andere, wie wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber ausdrücklich angewiesen hätte, Teile seines Lohns an seinen zivilrechtlichen Gläubiger abzuführen:

Die entsprechende Anweisung hat der Arbeitnehmer schlüssig durch Abschluß des Arbeitsvertrages erteilt. Sie wäre zudem entbehrlich; denn an ihre Stelle tritt die Anweisung durch den Gesetzgeber: § 38 Abs. 3 EStG für die Lohnsteuer, §§ 28 e Abs. 1, 28 g SGB IV für die Sozialversicherung. Damit ist rechtlich jedenfalls so zu tun, als hätte der Arbeitnehmer die Anweisung erteilt.

Der Arbeitnehmer wird durch die in seinem Auftrag vorgenommenen Abführungen von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen auch von einer entsprechenden Schuld befreit; denn er ist der (alleinige) Steuerschuldner (§ 38 Abs. 2 S. 1 EStG) und der Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe der Arbeitnehmeranteile: In dieser Höhe hat er die Beiträge „zu tragen” (§ 249 Abs. 1 SGB V, § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 168 AFG). Hiergegen läßt sich ni...

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