Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Versetzung im Sinne von §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG. Beteiligung des Betriebsrats bei Zuweisung eines neuen Stützpunkts an einen Kundendienstmonteur

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kundendienstmonteur, der seine Arbeit täglich an einem bestimmten "Stützpunkt" aufnimmt und beendet und dort auch seine administrativen Tätigkeiten verrichtet, wird im Sinne von §§ 95 Abs.3, 99 BetrVG versetzt, wenn der "Stützpunkt" in eine von dem bisherigen Ort 60 km entfernte Gemeinde verlegt wird.

 

Normenkette

GG Art. 3; BetrVG § 95 Abs. 3; GewO § 106; ArbGG § 48 Abs. 1 Buchst. a); BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 30.04.2015; Aktenzeichen 7 Ca 636/14)

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.04.2015 in Sachen 7 Ca 636/14 werden einschließlich des Hilfsantrags des Klägers vom 06.08.2015 zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als Kundendienst-Stützpunktmonteur arbeitstäglich von dem in M -K angesiedelten Verkaufsbüro K der Beklagten aus anzutreten und dort auch den administrativen Teil seiner Tätigkeiten zu verrichten hat, oder ob dies wie in der Zeit bis zum 31.03.2013 von dem privaten Wohnhaus des Klägers in R W aus zu erfolgen hat.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.04.2015 Bezug genommen. Klarzustellen ist, dass sich das in § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 13.06.1989 festgelegte Einsatzgebiet des Klägers nach den dort aufgeführten Postleitzahlengebieten des Jahres 1989 richtet und somit aus den Gebieten K (50), A (51), S (52), B (53), K (54) und T (55) besteht.

Wegen der Überlegungen, die das Arbeitsgericht Bonn dazu bewogen haben, dem Feststellungsantrag zu 1. des Klägers stattzugeben, den Antrag zu 2. hingegen abzuweisen, wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 30.04.2015 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn wurde beiden Parteien am 06.05.2015 zugestellt. Die Beklagte hat gegen das Urteil am 21.05.2015, der Kläger am 01.06.2015 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist am 04.08.2015, diejenige des Klägers am 06.08.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen, nachdem für beide Parteien die Begründungsfrist bis zum 06.08.2015 verlängert worden war.

Die Beklagte und Berufungsklägerin zu 1) vertritt die Ansicht, dass das Arbeitsgericht auch den Feststellungsantrag zu 1. habe abweisen müssen. Die Beklagte begründet ihre Auffassung damit, dass ihre Weisung an den Kläger, seine Arbeit nicht mehr, wie in der Vergangenheit, von seinem privaten Wohnhaus in R W aus aufzunehmen, sondern von dem Verkaufsbüro K der Beklagten, keine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG darstelle. Der Kläger habe die gleichen Aufgaben wie bisher zu verrichten. Auch sein arbeitsvertraglich definiertes geographisches Einsatzgebiet habe sich grundsätzlich nicht verändert, wenn auch der Schwerpunkt seiner Arbeitseinsätze aufgrund verschiedener betrieblicher Umstände sich mehr nach Süden in den Raum K verlagert habe. Auch das Verkaufsbüro K liege innerhalb des arbeitsvertraglich definierten Einsatzbereichs.

Der Umstand, dass der Kläger jetzt einen 60 km weiteren Anfahrtsweg zum Verkaufsbüro K zu bewältigen habe, falle in seine Privatsphäre und begründe nicht den Versetzungscharakter der Maßnahme. Der Kläger habe sich die Maßnahme auch selbst zuzuschreiben, da er im Gegensatz zu fast allen anderen Kundendienst-Stützpunktmonteuren es abgelehnt habe, den Arbeits- und Lagerplatz in seinem Privathaus zu den von ihr, der Beklagten, zuletzt angebotenen Mietvertragsbedingungen zur Verfügung zu stellen. Die Weisung entspreche auch billigem Ermessen gemäß § 106 GewO. Dies folge schon daraus, dass ihr nach Beendigung des Mietvertragsverhältnisses mit dem Kläger in R W kein Büro- und Lagerplatz mehr zur Verfügung stehe.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte zu 2) beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.04.2015, 7 Ca 636/14, in Ziffer 1. aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger und Berufungskläger zu 2) beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass das Arbeitsgericht Bonn die streitige Maßnahme zu Recht als Versetzung gewürdigt habe, zu der - unstreitig - der Betriebsrat nach § 99 BetrVG nicht beteiligt worden sei. Darüber hinaus entspreche die Weisung auch nicht billigem Ermessen; denn sie sei nicht einmal durch die eigenen wohl verstandenen Interessen der Beklagten gedeckt, da sich seine dienstlichen Einsatzfahrten nunmehr verlängert hätten und demnach auch für die Beklagte mit einem größeren Aufwand als bisher verbunden seien. In Wirklichkeit stelle die Versetzung nur eine nach ...

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