Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift (Abfindungsanspruch) gilt nicht für Arbeitnehmer, die gegen die Kündigung des Arbeitgebers geklagt haben und damit rechtskräftig obsiegt haben.

 

Normenkette

BetrVG § 113 Abs. 3, 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 11.05.1994; Aktenzeichen 3 Ca 9474/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.10.1995; Aktenzeichen 1 AZR 372/95)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.05.1994 – 3 Ca 9474/93 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1985 als Fernfahrer bei der Beklagten tätig (Spedition, rund 25 Arbeitnehmer). Die Beklagte hat ihm mit Schreiben vom 11.10.1993 zum 15.10.1993 gekündigt mit der Begründung, die Geschäftstätigkeit der Spedition werde zu diesem Zeitpunkt eingestellt (Bl. 4 d. A.). Der Kläger hat hiergegen am 21.10.1993 Klage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam; der Betriebsrat sei nicht angehört worden und die nach § 17 KSchG notwendige Anzeige nicht vorgenommen worden. Ferner habe die Beklagte einen Interessensausgleich nach den §§ 111 ff BetrAVG versuchen müssen, aber nicht versucht, so daß ihm aufgrund von § 113 Abs. 3 BetrVG ein Abfindungsanspruch zustehe. Die Beklagte habe ihren Betrieb stillgelegt. Außerdem habe er die Überlegung angestellt, daß der ehemalige Betrieb gem. § 613 a BGB auf die Firma M. und R. GmbH übergegangen sei. Dieses Unternehmen habe er auch in Anspruch genommen. Er habe beantragt festzustellen, daß zwischen dieser Firma und ihm ein Arbeitsverhältnis bestehe. Seine Rechtsposition in diesem Zusammenhang sei jedoch völlig offen und unklar. Das Arbeitsgericht habe den Fall nicht entschieden.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger beantragt, soweit es interessiert,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 11.10.1993, zugegangen am 14.10.1993 aufgelöst worden ist, sondern über den im Kündigungsschreiben genannten Zeitpunkt zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu bezahlen.

Am 20.12.1993 ist ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beklagten mangels Masse abgewiesen worden (Bl. 18 d. A.).

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Der Geschäftsbetrieb sei zum 15.10.1993 vollständig eingestellt worden. Ein Betriebsübergang sei nicht erfolgt. Die Einstellung des Geschäftsbetriebes sei erzwungen worden durch eine Pfändung, die sie zahlungsunfähig gemacht habe. Deshalb sei auch der Versuch eines Interessenausgleichs nicht erforderlich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag aufgrund von § 102 BetrVG stattgegeben und den Abfindungsanspruch zurückgewiesen (Bl. 50 ff. d. A.). Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Er beantragt nunmehr noch,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01.10.1993.

Seine Begründung ergibt sich aus seinen Schriftsätzen vom 10.11.1994 und 15.02.1995, die Erwiderung der Beklagten aus deren Schriftsätzen vom 05.12.1994 und 01.02.1992.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist statthaft aufgrund von § 64 ArbGG. Sie ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Diesbezüglichen Feststellungen des Gerichts ergeben sich aus dem Verhandlungsprotokoll vom 15.02.1995.

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der verbliebene Anspruch des Klägers (auf Zahlung einer Abfindung nach § 113 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 BetrVG) besteht rechtlich nicht. Nach dieser Bestimmung können Arbeitnehmer eine Abfindung verlangen, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessensausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden.

1. Diese Vorschrift gilt jedoch nicht für Arbeitnehmer, die – wie der Kläger – gegen die Kündigung des Arbeitgebers geklagt haben und damit rechtskräftig obsiegt haben. Denn die Vorschrift will nur solchen Arbeitnehmern einen Abfindungsanspruch gewähren, die infolge der „Maßnahme” des Arbeitgebers ihren Arbeitsplatz verloren haben, vgl. BAG Urteil vom 09.07.1985 – 1 AZR 323/83 – unter I. 5. der Gründe. Dabei kommt es zwar auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung des Arbeitgebers nicht an, vgl. BAG Urteil vom 03.04.1990 – 1 AZR 150/89 – unter 2. b) der Gründe. Wenn aber ein Arbeitnehmer eine Kündigung des Arbeitgebers nicht hinnimmt, sondern gegen sie Klage erhebt und damit rechtskräftig Erfolg hat, hat er rechtlich seinen Arbeitsplatz behalten und nicht verloren. Es besteht demgemäß keine Notwendigkeit, ihm eine Abfindung zu gewähren. Das Kündigungsschutzgesetz gewährt ebenfalls erst nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung (§ 9). Eine Differenzierung dahin, ob der Erfolg mit...

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