Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der Versäumung tariflicher Ausschlussfristen bei der Geltendmachung einer höheren Vergütung. Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung des Arbeitgebers auf tarifliche Ausschlussfristen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu der Frage, wann gegen das Berufen des Arbeitgebers auf eine Ausschlussfrist der Einwand des Rechtsmissbrauchs erhoben werden kann.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Berufung des Arbeitgebers auf die Versäumung tariflicher Ausschlussfristen ist auch dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn die Versäumung der Frist möglicherweise auf einer unrichtigen Auskunft beruht. Denn es muss von einem Arbeitnehmer verlangt werden, dass er sich hinsichtlich der Rechtslage über die Berechtigung eines vermeintlichen Anspruchs selbst informiert. Eine Unkenntnis über die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen eines tariflichen Anspruchs bzw. dessen Verfalls aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist sind rechtlich unbeachtlich.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 03.02.2015; Aktenzeichen 17 Ca 7859/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.12.2016; Aktenzeichen 6 AZR 578/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.02.2015 - 17 Ca 7859/14 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum Juli 2013 eine Zulage für eine bestimmte Funktionsstufe der Tätigkeitsebene 27 (Geschäftsstellenleiter) aufgrund des zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen 7. Änderungstarifvertrages zum TV-BA zu zahlen ist. Dass dem Kläger diese Funktionszulage tariflich zustand, ist unstreitig. Der Streit der Parteien geht allein darum, ob die Ansprüche des Klägers zum Teil verjährt, im Übrigen verfallen sind. Der Kläger beruft sich gegenüber der Ausschlussfrist aus § 39 TV-BA auf Treu und Glauben und auf einen Schadensersatzanspruch wegen einer falschen Auskunftserteilung.

Der Kläger war schon in den Jahren vor 2010 als Geschäftsstellenleiter einer Geschäftsstelle der B für A mit weniger als 50 Stellen für Plankräfte tätig. Dafür gab und gibt es sogenannte Funktionsstufen. Nach der ursprünglichen Zuordnungstabelle (Bl. 77 d. A.) kam wegen des Kriteriums "Grad der Verantwortung" die Funktionsstufe 1 in Ansatz, wenn ein Teamleiter unterstellt war und die Funktionsstufe 2 bei Erreichen von 35 Stellen für Plankräfte. Mit Wirkung zum Inkrafttreten des 2. Änderungstarifvertrages änderte sich die Zuordnungstabelle (wegen deren Inhalt wird auf Bl. 78 d. A. Bezug genommen) in Bezug auf die Funktionsstufe 1. Anstelle des Merkmals "ein unterstellter Teamleiter" trat nun "Repräsentation der AA durch Leitung einer Geschäftsstelle". Diese Zuordnungstabelle blieb bis einschließlich des 6. Änderungstarifvertrages und mithin bis zum 31.12.2009 unverändert (vgl. die Zuordnungstabelle zum 6. Änderungstarifvertrag Bl. 17 d. A.).

Mit Inkrafttreten des 7. Änderungstarifvertrages ab Januar 2010 änderte sich die Zuordnungstabelle (wegen dieser wird auf Bl. 7 d. A. Bezug genommen). Die Funktionsstufe 2 entfiel nun vollständig. Stattdessen kamen zwei Funktionsstufen 1 aufgrund des Kriteriums "geschäftspolitische Setzung" in Betracht, nämlich einmal für

"Stärkung der Führungsfähigkeit" (Funktionsstufe 1) und nochmals (Funktionsstufe 1) für

"Leitung einer Geschäftsstelle mit mindestens

- 35 Stellen für Plankräfte und/oder

- einer/einem unterstellten Teamleiter/in".

Unstreitig hatte die vom Kläger geleitete Geschäftsstelle nicht mindestens 35 Stellen für Plankräfte. Allerdings wurde das weitere Kriterium "unterstellter Teamleiter/in" erfüllt. Unstreitig stand dem Kläger mithin seit dem 1. Januar 2010 diese weitere Funktionsstufe 1 zu.

Die Parteien hatten bereits zu früheren Zeiten über eine andere Funktionsstufe, nämlich die Funktionsstufe 2 korrespondiert und darüber Gespräche geführt. Insoweit wird auf die E-Mail des Klägers vom 20.02.2007 (Bl. 79 d. A.), den Gesprächsvermerk vom 27.11.2007 (Bl. 82 d. A.) und das Schreiben der Beklagten vom 31.07.2008 (Bl. 83/84 d. A.) Bezug genommen.

Dem Kläger wurde vor dem Inkrafttreten des 7. Änderungsvertrages die Funktionsstufe 1 für "Repräsentation der AA durch Leitung einer Geschäftsstelle" gezahlt.

Zu einem Zeitpunkt, als der 7. Änderungsvertrag noch nicht unterschrieben war, schrieb die Beklagte unter dem 22. Januar 2010 ein Schreiben, dass (auch) der Kläger erhalten hat. Dieses lautete auszugsweise wie folgt:

Die hierzu nunmehr erzielte Gesamteinigung beinhaltet auch eine Änderung der Funktionsstufen bei dem Ihnen übertragenen Dienstposten eines Geschäftsstellenleiters.

Mit Wirkung vom 01.01.2010 sollen sich hiernach folgende Änderungen ergeben:

• Wegfall der Funktionsstufe 1 für "Repräsentation der AA durch Leitung einer Geschäftsstelle"

• Hinzutritt der Funktionsstufe 1 für "Stärkung der Führungstätigkeit".

Wegen des vollständigen Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 20/21 d. A. B...

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