Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Arbeitnehmerweiterbildungsurlaub im Hinblick auf die Teilnahme an einem Japanisch-Sprachkurs. Vermittlung von Kenntnissen für den ausgeübten Beruf

 

Leitsatz (redaktionell)

Bildungsveranstaltungen dienen lediglich dann der beruflichen Weiterbildung, soweit sie Kenntnisse für den ausgeübten Beruf oder zumindest entsprechende Kenntnisse zur Verwendung im erlernten oder ausgeübten Beruf vermitteln. Eine mittelbare Verwendung der Kenntnisse des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ist ausreichend. Ein angebotener Sprachkurs der Volkshochschule "Japanisch für Anfänger*innen A 1.1" stellt grundsätzlich keine berufliche Arbeitnehmerbildung i.S.d. § 1 Abs. 3 AWbG NW dar.

 

Normenkette

AWbG NW § 1 Abs. 3, 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 22.03.2023; Aktenzeichen 3 Ca 1873/22)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 22.03.2023 - 3 Ca 1873/22 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet war, der Klägerin einen Arbeitnehmerweiterbildungsurlaub zu gewähren.

Die Klägerin ist seit dem 01.05.2020 bei dem beklagten Kreis als Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde in Teilzeit beschäftigt und befindet sich in der Einarbeitungsphase. Die Ausländerbehörde ist in fünf Sachgebiete aufgegliedert, wozu u.a. die Sachgebiete "Servicecenter" und "Allgemeine Ausländerangelegenheiten" gehören. Die Klägerin ist dem Sachgebiet "Allgemeine Ausländerangelegenheiten" zugeordnet. Im beklagten Kreis sind etwa 1.540 Ausländer ansässig, wovon drei Personen japanischer Nationalität sind.

Die Klägerin meldete sich im Sommer 2022 bei der Volkshochschule (VHS) B zu dem Kurs "Japanisch für Anfänger*innen A 1.1 - Online-Bildungsurlaub" für den Zeitraum 10.10.2022 bis 14.10.2022 an. Wegen der Einzelheiten der Kursbeschreibung wird auf Bl. 72 f. d.A. verweisen. Den Antrag der Klägerin vom 22.08.2022 auf Freistellung nach dem AWbG NW zum Zwecke der Kursteilnahme lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 31.08.2022 ab. Die Klägerin nahm daraufhin für den genannten Zeitraum Erholungsurlaub und absolvierte den Kurs.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Urteil vom 22.03.2023 (Bl. 109 ff. d.A.) festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Klägerin in der Zeit vom 10.10.2022 bis zum 14.10.2022 unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts zur Teilnahme an der Bildungsveranstaltung der VHS B "Japanisch für Anfänger*innen A 1.1" freizustellen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Feststellungsklage ein Rechtsschutzinteresse bestehe, denn für den Fall einer unrechtmäßigen Verweigerung der Freistellung sei ein Schadensersatzanspruch auf spätere Freistellung nach Ablauf des Urlaubsjahres aus Gründen des Verzuges denkbar. Die Klage sei auch begründet, denn es habe sich um berufliche Weiterbildung iSv. § 1 Abs. 3 AWbG NW gehandelt. Der Bildungskurs vermittele nicht nur Vorratswissen, sondern die erworbenen Kenntnisse könnten aufgrund der Aufgabenstellung der Klägerin eingesetzt werden. Es diene der wechselseitigen Verständigung und Vertrauensbildung, wenn die Klägerin z.B. japanische Anrede und Grußformel beherrsche und über Kenntnisse der Gesellschaft und der Kultur Japans verfüge. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 29.03.2023 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 18.04.2023 Berufung eingelegt und diese am 24.05.2023 begründet.

Unter Darstellung der bisherigen Kontaktaufnahmen zwischen dem Personenkreis japanischer Herkunft und der Ausländerbehörde meint der Beklagte, dass es außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit sei und lediglich die hypothetische Möglichkeit bestehe, dass die Klägerin die erworbenen Kenntnisse nutzbringend einsetzen könne. Die Klägerin kommuniziere überwiegend mit 85 % ihrer Arbeitszeit schriftlich mit den Antragstellern. Sie sei nach dem viertägigen Sprachkurs nicht in der Lage, japanische Dokumente und die darauf abgebildeten Kanji-Zeichen zu entziffern. Zudem seien fremdsprachige Dokumente und Schriftstücke bei der Ausländerbehörde generell mit Übersetzung durch einen vereidigten Dolmetscher vorzulegen, es sei denn, es handele sich um englischsprachige Dokumente. Der letzte Kontakt mit einem japanischen Muttersprachler habe die Ausländerbehörde 2014/2015 gehabt. Die Klägerin selbst sei zu keinem Zeitpunkt, weder mündlich noch schriftlich, mit einem japanisch-sprechenden Kunden in Kontakt getreten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie ...

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