Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdsprachenlektoren, befristeter Arbeitsvertrag. Verstoß Art. 48 EWG-Vertrag. Freizügigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 48 EWG-Vertrag (juris EWGVtr) steht der Anwendung nationaler Vorschriften entgegen nach denen die Stellen von Fremdsprachenlektoren mittels befristeter Arbeitsverträge besetzt werden müssen oder können, während der Abschluß derartiger Verträge mit sonstigen Lehrkräften für besondere Aufgaben im Einzelfall durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein muß.

2. § 57 b Abs. 3 HRG ist eine solche gegen Art. 48 EWG-Vertrag verstoßende Norm; das Erfordernis eines aktualitätsbezogenen Unterrichts rechtfertigt nicht die Befristung von Arbeitsverträgen mit Fremdsprachenlektoren. Angesichts der Intensivierung des kulturellen Austauschs und der Kommunikationserleichterungen in Europa besteht nicht die Gefahr ein muttersprachlicher Fremdsprachenlektor verliere mit seinem Aufenthalt in Deutschland den Kontakt zur Muttersprache (Bestätigung zu EuGH vom 20.10.1993, C-272/92, AP Nr. 17 zu Art. 48 EWG-Vertrag (juris: EWGVtr).

 

Normenkette

HRG § 57b Abs. 3; EWGVtr Art. 48 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 25.08.1994; Aktenzeichen 1 Ca 395/94)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 25. August 1994 – 1 Ca 395/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis wirksam bis zum 30.09.1993 befristet ist.

Die Klägerin ist seit dem 02.10.1989 bei der Beklagten als Lektorin für Französisch an der …-Universität Bonn tätig.

Im Arbeitsvertrag vom 14.09.1989 ist die befristete Beschäftigung bis zum 30.09.1991 vereinbart. Der Arbeitsvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 2

(1) Für das Dienstverhältnis gelten die §§ 5–15, 18 bis 21, 26, 27 Abschnitt A Abs. 1, 2, 5 und 6 §§ 29, 36 bis 38, 40 bis 43, 47, 48, 49 bis 52 a, 54, 57 bis 59, 61 und 70 des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) sowie Nr. 2 und 7 der Sonderregelungen für Zeitangestellte, Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer und für Aushilfsangestellte (SR 2y BAT) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Im übrigen sind der Erlaß vom 15.04.1985 – I B 4–3811–, die Grundsätze des Europarates für die Beschäftigung von ausländischen Fremdsprachenlektoren vom 03./05. November 1976 und die Rahmenordnung für Lektoren (Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 30.01.1981) sowie die sich ändernden oder ergänzenden Vereinbarungen Vertragsbestandteil.

§ 5

(1)

Die Vertragsbefristung bestimmt sich nach § 57 b Abs. 3 i.V.m. § 57 c Abs. 2 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

(2)

Durch die Befristung soll sichergestellt werden, daß auch in der Folgezeit andere Lektoren mit aktuellem Bezug zur französischen Sprache diese in die Aus- und Fortbildung der Studenten einbringen können.

Der in § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages zitierte Erlaß vom 15.04.1985 IB 4–3811– enthält u.a. folgende Bestimmungen:

1. Begriffsbestimmung und Beschäftigungszweck

1.1 Lektoren sind ausländische Lehrende für die Ausbildung in lebenden Fremdsprachen, die zur Vermittlung der jeweiligen Fremdsprache in ihrer jüngsten Gestaltung und zur Wahrnehmung eines engen und aktuellen Kontaktes mit dem entsprechenden Sprachkreis befristet beschäftigt werden.

3. Befristung der Arbeitsverträge

3.1 Im Hinblick auf

  • die Vermittlung der Fremdsprache in ihrer jüngsten Gestaltung
  • die hierauf bezogenen Dienstleistungen bei wissenschaftlichen Vorhaben
  • den laufenden kulturellen und wissenschaftlichen Austausch, den die Beschäftigung von Lektoren bewirken soll,
  • die mit der Beschäftigung bezweckte allgemeine und insbesondere auch ggf. spezielle Weiter- und Fortbildung des ausländischen wissenschaftlichen Nachwuchses sowie
  • die Notwendigkeit, eine Entfremdung des ausländischen Lektors von seinem Herkunftsland zu vermeiden,

sind die Arbeitsverhältnisse zu befristen. Dem steht die Übertragung von Daueraufgaben nicht entgegen.

3.4 Soweit ausländische Lehrende nach Ablauf des Lektorenverhältnisses ausnahmsweise unter Gesichtspunkten der Koordinierung und des Kontinuitätserhalts – insbesondere in größeren Lehreinheiten – unbefristet weiterbeschäftigt werden sollen, kommt hier regelmäßig die Beschäftigung in der Stellung eines Studienrats im Hochschuldienst in Betracht. Im Haushalt für Lektoren ausgewiesene Stellen dürfen hierfür nicht in Anspruch genommen werden.

4. Einstellungsvoraussetzungen

4.4 Als Lektor darf nicht eingestellt werden, wer auf Dauer den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes begründet hat oder zu begründen beabsichtigt.

Der Arbeitsvertrag wurde im Juni 1991 zu gleichbleibenden Bedingungen bis zum 30.09.1993 befristet verlängert.

Einen Antrag der Klägerin auf Entfristung und Weiterbeschäftigung über den 30.09.1993 hat die Beklagte abgelehnt; hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer am 11.03.1993 bei Gericht eingeg...

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