Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung, vermutete Diensunfähigkeit. Kettenbefristung. Rückkehrprognose. Finanz- und Abgabenrecht Arbeitsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Befristungsgrund der Vertretung erfordert eine positive Prognose darüber, dass der zu vertretende Mitarbeiter nochmals an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird.

2. Bei sogenannten Kettenbefristungen sind mit fortschreitender Zeit und wachsender Anzahl einander ablösender Vertragsbefristungen um so strengere Anforderungen an die Prognose zu stellen.

3. Der beamtenrechtliche Tatbestand der vermuteten Dienstunfähigkeit gemäß § 45 I 2 LBG NRW stellt ein erhebliches Indiz gegen eine positive Rückkehrprognose dar.

 

Normenkette

TzBfG §§ 14, 16; LBG NRW § 45

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 01.09.2004; Aktenzeichen 11 Ca 3397/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.06.2007; Aktenzeichen 7 AZR 747/05)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.09.2004 in Sachen 11 Ca 3397/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrages der Klägerin.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Entfristungsklage stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 01.09.2004 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem beklagten Land am 15.09.2004 zugestellt. Das beklagte Land hat hiergegen am 15.10.2004 Berufung einlegen und diese am 15.11.2004 begründen lassen.

Das beklagte Land macht geltend, bei Abschluss des der Befristungskontrolle unterliegenden Arbeitsvertrages vom 13.01.2004 habe noch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass die von der Klägerin seinerzeit zu vertretende Lehrkraft F aufgrund von Dienstunfähigkeit endgültig aus dem aktiven Schuldienst ausscheiden werde. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die amtsärztliche Untersuchung, die die Dienstunfähigkeit der Lehrkraft F bestätigt habe, nicht bereits am 09.01.2004 stattgefunden habe, sondern erst am 19.01.2004, also nach Abschluss des streitigen Arbeitsvertrages. Im übrigen wiederholt und vertieft das beklagte Land seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Das beklagte Land als Berufungsführer beantragt nunmehr, die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln vom 01.09.2004 – 11 Ca 3397/04 – abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin räumt ein, dass die amtsärztliche Untersuchung der Lehrerin F erst am 19.01.2004 stattgefunden habe. Gleichwohl habe jedoch auch bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 13.01.2004 keinerlei ernsthafter Zweifel daran bestehen können, dass die Rückkehr der Lehrerin F ausgeschlossen gewesen sei. Für eine mögliche Rückkehr der zu vertretenden Lehrkraft habe kein vernünftiger Anhaltspunkt bestanden. So habe bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 13.01.2004 eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Lehrerin F für das gesamte restliche Schuljahr, also bis zum 21.07.2004 vorgelegen. Im gesamten Schuljahr 2003/2004 sei die Lehrerin F an keinem einzigen Tag im Dienst gewesen. Sie habe niemals signalisiert, dass oder wann sie wieder ihren Dienst antreten könne, der Einleitung des förmlichen Zurruhesetzungsverfahrens gemäß Verfügung vom 20.11.2003 nicht widersprochen, trotz entsprechender Aufforderung keine gegen die Dienstunfähigkeit sprechenden ärztlichen Atteste vorgelegt, stattdessen ein Folgeattest über ihre Dienstunfähigkeit vorgelegt, dass sich über den ungewöhnlich langen Zeitraum von einem halben Jahr erstreckt habe. Schließlich sei auch das Alter der Lehrerin F in Betracht zu ziehen, wenn man bedenkt, dass statistisch gesehen in NRW die durchschnittliche Pensionierung von Lehrkräften mit 59 Jahren erfolge.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung des beklagten Landes vom 15.11.2004 und die Berufungserwiderung der Klägerin vom 08.12.2004 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft und wurde im Rahmen der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des beklagten Landes konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden, dass die Befristung des Arbeitsvertrages vom 08./10.09.2003 in der Fassung des Verlängerungsvertrages vom 13.01.2004 nicht durch einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt war. Gemäß § 16 S. 1 TZBFG gilt der befristete Arbeitsvertrag demnach als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht daher über den 21.07.2004 hinaus im Umfang des vereinbarten Stundenkontingents von 21 Woc...

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