Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung, Ausschlussfristen. Widerspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Abgeltung des bestehenden Urlaubs entsteht auch bei über das Arbeitsverhältnis hinaus andauernder Arbeitsunfähigkeit gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird sofort fällig. Er ist nicht Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern reine Geldforderung und unterliegt damit wie andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis einzel- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen.

2. Im Fall des Betriebsübergangs und der Unsicherheit des betroffenen Arbeitnehmers, ob er einen Widerspruch i. S. d. § 613 a Abs. 6 BGB erklären will, ist dieser bei Anwendbarkeit von Ausschlussfristenregelungen gehalten, mögliche Entgeltansprüche zur zunächst prophylaktischen Wahrung der Ausschlussfristen auch gegen den „alten” Arbeitgeber geltend zu machen.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 3; BGB § 613a Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 27.10.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1492/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.04.2013; Aktenzeichen 9 AZR 731/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.10.2010 – 2 Ca 1492/10 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach mehrjähriger Krankheit.

Der Kläger war seit dem 01.12.2005 bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttomonatsentgelt von ca. 1520,00 EUR als Reinigungskraft beschäftigt. In den Monaten September 2005 bis August 2006 hat der Kläger einen Gesamtbruttolohn von 18.532,38 EUR erzielt.

Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk Anwendung. § 22 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten des Gebäudereinigerhandwerks vom 04.10.2003 (im Folgenden : RTV) lautet:

„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.”

Im Jahr 2006 erkrankte der Kläger schwer und war in der Folgezeit durchgehend arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis endete am 23.10.2009 aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung.

Mit Schreiben vom 30.11.2009, welches der Beklagten am 02.12.2009 zuging, begehrte der Kläger durch seine Prozessvertreter Urlaubsabgeltung für den Urlaub seit Beginn seiner Krankheit. In diesem Schreiben heißt es wörtlich:

„Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht unserem Mandanten der gesamte Urlaub aus den Vorjahren seit Beginn seiner Erkrankung zu. Wir dürfen Sie bitten, diesbezüglich eine Abrechnung zu erteilen und die Auszahlung des Nettobetrages vorzunehmen.”

Mit Schreiben vom 15.12.2009, welches dem Kläger am 23.12.2009 zuging, lehnte die Beklagte jegliche Zahlungen ab und verwies auf einen Betriebsübergang.

Mit Schreiben vom 23. 12. 2009 widersprach der Kläger einem Betriebsübergang und forderte die Beklagte nochmals zur Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006-2009 i.H.v. 5.612,16 EUR auf.

Mit seiner am 22.02.2010 beim Arbeitsgericht Köln erhobenen Klage begehrt der Kläger letztlich noch die Abgeltung von 73 Urlaubstagen (13 Tage für 2006 und jeweils 20 für 2007-2009).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Anspruch sein nicht verfallen, da die Verfallsfristen auf Abgeltungsansprüche keine Anwendung finden würden und zudem in dem Schreiben der Beklagten vom 15.12.2009 keine Ablehnung zu sehen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.318,05 EUR nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die Verfallsfrist des § 22 RTV.

Mit Urteil vom 27.10.2010 hat das Arbeitsgericht Köln die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 22 RTV verfallen sei. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unterliege als Geldanspruch den tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei am 23.10.2009 mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden. Mit dem am 2.12.2009 bei der Beklagten eingegangen Geltendmachungsschreiben habe der Kläger die 1. Stufe der zweistufigen Ausschlussfrist gewahrt. Da sich die Beklagte hierzu nicht binnen 2 Wochen, also bis zum 16.12.2009, erklärt hatte, begann die 2. Stufe der Ausschlussfrist zu laufen, die am 16.02.2010 endete, so dass die Klage am 22.02.2010 zu spät erhoben worden sei.

Gegen das dem Kläger am 15.11.2010 zugestellte Urteil hat dieser am 15.12.2010 Berufung eingelegt und diese am 17.01.2011, einem Montag, begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, dass tarifliche Ausschlu...

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