Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeld. Anspruchsübergang. Schadensersatz. Insolvenzverwalter. Kündigung mit verkürzter Kündigungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 187 SGB III übergegangene Ansprüche auf Arbeitsentgelt fallen zurück, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf Insolvenzgeld abgelehnt wird.

2. Der Schadensersatzanspruch nach § 113 S. 3 InsO wegen vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses kann jedenfalls dann nicht in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG bemessen werden, wenn wie z.B. bei Organmitgliedern nach § 14 Abs.1 Ziff. 1 KSchG kein Kündigungsschutz bestand.

3. Bestand kein Kündigungsschutz, ist die Schadensersatzpflicht auf den reinen „Verfrühungsschaden” zu reduzieren. Es konnte dahin gestellt bleiben, ob dieser bei Geschäftsführern einer GmbH entsprechend der Regelung für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft auf die Dauer von 2 Jahren zu beschränken ist (§ 87 Abs. 3 AktG).

 

Normenkette

SGB III § 187; InsO § 113 S. 3; KSchG §§ 9-10

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 29.07.2005; Aktenzeichen 2 Ca 4820/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.05.2007; Aktenzeichen 8 AZR 772/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 29. Juli 2005 – 2 Ca 4820/04 – dahin abgeändert, dass der Beklagte über die unter Ziff. 2 – 5 titulierten Verpflichtungen hinaus verurteilt wird

  1. eine Forderung des Klägers in Höhe von 4.627,34 EUR netto (Rang 0, lfd. Nr. 74) zur Insolvenztabelle festzustellen,
  2. eine Forderung des Klägers in Höhe von 4.627,34 EUR netto (Rang 0, lfd. Nr. 75) zur Insolvenztabelle festzustellen,
  3. eine Forderung des Klägers in Höhe von 43.011,36 EUR netto (Rang 0, lfd. Nr. 97) zur Insolvenztabelle festzustellen.

1. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu

33 % und der Beklagte zu 67 %.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 48 % und der Beklagte zu 52 %.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate August und September 2004 und ein vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses zur Insolvenztabelle festzustellen sind.

Der Kläger, geboren am 28. April 1959, war bei der G (im Weiteren: Insolvenzschuldnerin) seit dem 11. September 1989 als Arbeitnehmer beschäftigt. Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin ist die Schulung, Ausbildung und vorübergehende Beschäftigung von arbeitslosen Jugendlichen und schwer vermittelbaren Arbeitslosen. Sie sollen durch Bildungs- und Betreuungsmaßnahmen für die Übernahme in ein ordentliches Arbeitsverhältnis qualifiziert werden. Dabei erfolgt ein Einsatz in den Arbeitsbereichen Altholzverwertung, Palettenreparatur und -umbau, Kistenrecycling und -umbau, Plastik- und Styropor-Sortierung, Sammeln, Sortieren und Verarbeiten von Papier, Verpackungsmaterialien und Druckereiabfällen, Sammeln und Verwerten von Altbekleidung, Entsorgen und Wiederverwerten von Müll und Haushaltsgegenständen sowie in den kaufmännischen Bereichen Einkauf und Vermarkten der Materialien. Der Kläger war mitverantwortlich für die Bereiche Schulung und Qualifizierung.

Durch Beschluss vom 29. Mai 1991 bestellte der alleinige Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin, der Sozialwerk A, den Kläger und einen weiteren Arbeitnehmer, Herrn Z, mit Wirkung ab dem 1. Juli 1991 zu Geschäftsführern der Insolvenzschuldnerin. Mit beiden Geschäftsführern wurden inhaltsgleiche Dienstverträge für die Zeit ab dem 1. Juli 1991 abgeschlossen. Danach bestand zwischen der Insolvenzschuldnerin und jedem Geschäftsführer ein unbefristetes Dienstverhältnis, das ohne Kündigung mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres des Geschäftsführers enden sollte. Die Insolvenzschuldnerin sollte nur berechtigt sein, das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen. Jeder Geschäftsführer war berechtigt, den Dienstvertrag mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres zu kündigen. Die Vergütung bestand aus einem festen Gehalt und einer Tantieme, die von dem wirtschaftlichen Ergebnis des zurückliegenden Geschäftsjahres abhängig war und von dem Gesellschafter festgesetzt wurde.

Als Geschäftsführer war der Kläger zuständig für die Verwaltung, insbesondere auch die Buchhaltung einschließlich Anlagebuchhaltung und die Bilanzerstellung, sowie für die Technik, den Vertrieb und die Forschung. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt EUR 7.561,22.

Im Jahr 2003 beteiligte sich die Insolvenzschuldnerin an Ausschreibungen der D. Sie erhielt den Zuschlag für die Glasentsorgung in den Landkreisen D und A, die Entsorgung von Glas und Leichtverpackungen in der Stadt A sowie die Entsorgung von Leichtverpackungen im Landkreis H, der Stadt D und den Gemeinden L und H. Mitbewerber war die S in K bzw. mit ihr verbundene Gesellschaften.

Die Parteien streiten darüber, ob die Geschäftsführer bei der Ausschreibung Angebote für di...

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