Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsnatur einer Nichtverlängerungsmitteilung gegenüber einer unter den NV Bühne fallenden Bühnenkünstlerin. Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung bei Indizien für eine Diskriminierung wegen des Alters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine sog. Nichtverlängerungsmitteilung gegenüber einer unter den NV Bühne fallenden Bühnenkünstlerin stellt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung dar, auf die § 134 BGB anwendbar ist.

2. Zu den in § 134 BGB angesprochenen Verbotsnormen gehören auch die §§ 1, 3, 7 AGG.

3. Liegen aussagekräftige Indizien dafür vor, dass eine Nichtverlängerungsmitteilung (zumindest auch) auf einer nach §§ 1, 7 AGG verbotenen Altersdiskriminierung beruht, und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, die Indizien zu entkräften oder die Benachteiligung wegen des Alters zu rechtfertigen, erweist sich die Nichtverlängerungsmitteilung gemäß § 134 BGB als nichtig. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Nichtverlängerung mit einem Intendantenwechsel begründet.

4. Die Nichtigkeit der Nichtverlängerungsmitteilung führt nach § 96 Abs.2 NV Bühne dazu, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien automatisch zunächst um eine weitere Spielzeit verlängert. Dem steht § 15 Abs.6 AGG nicht entgegen.

 

Normenkette

NV-Bühne §§ 96-97; BGB § 134; AGG §§ 1, 3, 7-8, 15, 22; ArbGG §§ 73, 110

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 22.12.2015; Aktenzeichen 6 Ha 10/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.03.2019; Aktenzeichen 7 AZR 237/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.12.2015 in Sachen 6 Ha 10/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Aufhebung eines Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts F a M vom 09.02.2015.

Die am 1977 geborene Beklagte ist seit der Spielzeit 2004/2005 bei dem von der Aufhebungsklägerin unterhaltenen Staatsballett B als Gruppentänzerin beschäftigt. Ihre Gage lag bei ca. 3.240,-- € brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Normalvertrag Bühne (NV-Bühne) Anwendung.

Zum Ende der Spielzeit 2013/2014 kam es beim Staatsballett B zu einem Intendantenwechsel. Der designierte neue Intendant N D verfügte seit dem 07.06.2013 über die Vollmacht, Dienstverträge abzuschließen und aufzulösen und insbesondere Nichtverlängerungsmitteilungen auszusprechen.

Am 27.06.2013 fand ein Anhörungsgespräch der Beklagten mit dem designierten Intendanten D statt. In diesem Gespräch eröffnete der designierte neue Intendant der Beklagten, dass er nicht beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien über das Ende der Spielzeit 2013/2014 hinaus zu verlängern. Der vollständige Inhalt des Anhörungsgesprächs ist im Übrigen zwischen den Parteien streitig geblieben.

Mit Schreiben vom 28.06.2013 wurde der Beklagten die Nichtverlängerung ihres Vertrages zum 31.07.2014 wegen Intendantenwechsels gemäß § 96 NV-Bühne mitgeteilt. Neben der Beklagten erhielten mindestens zwei weitere Gruppentänzer/-innen des Staatsballetts Nichtverlängerungsmitteilungen. In beiden Instanzen der nachfolgend mit der Angelegenheit befassten Bühnenschiedsgerichtsbarkeit blieb unstreitig, dass es sich dabei um die drei an Lebensjahren ältesten Gruppentänzer/-innen des Balletts handelte.

Am 25.11.2013 erhob die hiesige Beklagte Klage beim Bezirksbühnenschiedsgericht B gegen die Nichtverlängerungsmitteilung. Dabei berief sie sich u. a. darauf, dass die Nichtverlängerungsmitteilung willkürlich und rechtsmissbräuchlich erfolgt sei und eine Altersdiskriminierung nach dem AGG darstelle.

Mit Schiedsspruch vom 05.05.2014 wies das Bezirksbühnenschiedsgericht B die Klage ab. Zur Begründung führte das Bühnenschiedsgericht aus, dass die dortige Beklagte und hiesige Klägerin zwar dem Vorwurf der Altersdiskriminierung nicht ausreichend entgegengetreten sei. Der gerügte Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung führe jedoch nicht zu der gewünschten Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Verlängerungsmitteilung. Dies folge aus § 15 Abs. 6 AGG. § 15 AGG sehe als Rechtsfolge lediglich Schadensersatzansprüche vor.

Gegen den ihr am 20.06.2014 zugestellten Schiedsspruch des Bezirksbühnenschiedsgerichts B legte die hiesige Beklagte am 03.07.2014 Berufung zum Bühnenoberschiedsgericht in F ein. Mit Schiedsspruch vom 09.02.2015 stellte das Bühnenoberschiedsgericht F a M fest, dass die Nichtverlängerungsmitteilung der Beklagten vom 28. Juni 2013 unwirksam sei und der Arbeitsvertrag der Parteien zu unveränderten Bedingungen fortbestehe. Zur Begründung führte das Bühnenoberschiedsgericht aus, dass die Klägerin in unzulässiger Weise wegen ihres Alters benachteiligt worden sei. Dies folge indiziell aus der unbestrittenen Tatsache, dass den drei ältesten Tanzgruppenmitgliedern gegenüber Nichtverlängerungsmitteilungen ausgesprochen worden seien. Die dortige Beklagte und hiesige Klägerin habe sich demgegenüber nicht auf den Standpunkt stellen dürfen, dass allein der Intendantenwechsel ausreichende Rechtfertigung für die Nichtverlängeru...

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