Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert. unechter Hilfsantrag. Weiterbeschäftigungsantrag. Klagerücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

Der in eventueller Klageerweiterung geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch (uneigentlicher oder unechter Hilfsantrag) wirkt streitwerterhöhend auch dann, wenn die gesamte Klage vor Verlesung der Anträge zurückgenommen wird.

 

Normenkette

ZPO § 5; GKG § 19 Abs. 1; BRAGO § 8 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 15.03.1995; Aktenzeichen 2 Ca 10021/94)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 15.03.1995 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Der Kläger, der ein Monatseinkommen von 4.800,– DM hatte, hat unter dem 14.11.1994 Kündigungsschutzklage erhoben; darin heißt es eingangs:

„Kraft Vollmacht des Klägers wird beantragt,

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 04.11.1994 aufgelöst worden ist, sondern über den 31.12.1994 hinaus ungekündigt fortbesteht.
  2. Für den Fall des Scheiterns der Güteverhandlung und der positiven Entscheidung über den vorstehenden Feststellungsantrag wird weiterhin beantragt:

    Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.12.1994 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen …”

Im Gütetermin ist auf Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden; mit Schriftsatz vom 24.02.1995 hat der Kläger die Klagerücknahme erklärt und um Festsetzung des Gegenstandswertes gebeten. Das Arbeitsgericht hat diesen mit Beschluß vom 15.03.1995 in Höhe von 5 Monatseinkommen festgesetzt (3 für den Feststellungsantrag, 2 für den Weiterbeschäftigungsantrag). Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der meint, der Weiterbeschäftigungsantrag habe nicht berücksichtigt werden dürfen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet; der Gegenstandswert ist vom Arbeitsgericht zutreffend mit fünf Monatseinkommen festgesetzt worden. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist zu berücksichtigen:

Eine Klage hat spätestens in dem Augenblick einen Streitwert, in dem sie anhängig wird – d.h. in dem ein entsprechender Schriftsatz bei Gericht eingereicht wird. Das beweist § 23 GKG, der die Angabe des Streitwertes zugleich mit dem Antrag fordert und damit unterstellt, daß er einen solchen haben muß. Von diesem Grundsatz ist für bedingte Klageerhebungen kein Unterschied zu machen – ohne Rücksicht darauf, ob die gestellte Bedingung und damit die Klage überhaupt zulässig ist. Wird etwa eine Klage wegen unzulässiger Bedingtheit durch Prozeßurteil abgewiesen, muß dieses Urteil selbstverständlich einen Streitwertes haben – auch dann, wenn die Bedingung möglicherweise gar nicht eingetreten war. In diesem Fall könnte dies nicht mit dem Einwand verhindert werden, die Klage stelle wegen Ausbleibens der Bedingung ein Nullum dar.

Das kann für den Weiterbeschäftigungsantrag, der als sog. „unechter Hilfsantrag” gestellt wird, nicht anders sein, denn entgegen seiner irreführenden Bezeichnung handelt es sich um eine bedingte (eventuelle) Klageerweiterung (BAG, Urteil vom 26.11.1964 – 5 AZR 48/64 in AP Nr. 20 zu § 16 AOGÖ). Dieser Antrag war – als bedingter – bereits gestellt und nicht etwa nur vorangekündigt. Das beweist nicht nur die Formulierung in der Klageschrift („… wird beantragt”, „… wird weiterhin beantragt”), sondern auch die erkennbare Erwartung des Klägers, bei Bedingungseintritt nicht etwa erst noch einen klageerweiternden Schriftsatz einreichen zu müssen – vielmehr hätte er allgemeiner Praxis entsprechend den Antrag schlicht verlesen bzw. ihn durch Bezugnahme auf die Klageschrift zur Entscheidung gestellt und dabei erwartet, daß über ihn zusammen mit dem Feststellungsantrag ohne weiteres befunden worden wäre. Andernfalls hätte der Kläger formuliert, er behalte sich vor, unter bestimmten Umständen die Klage zu erweitern (und zwar durch einen noch einzureichenden bestimmenden Schriftsatz).

Daß der Weiterbeschäftigungsantrag in bedingter Klageerweiterung streitwertrechtlich wie vorstehend zu bewerten ist, wird durchsichtiger, wenn man sich vorstellt, er sei nicht kumulativ durch objektive Klagehäufung gestellt worden, sondern in einer zweiten Klage: Diese Klage kann – auch wenn sie durch Klagerücknahme vor Bedingungseintritt endet – nicht ohne Streitwert sein. Eine Streitwertprivilegierung durch Klageverbindung ist durch nichts gerechtfertigt.

Durch die ausnahmslose Berücksichtigung der eventuellen Klageerweiterung wird auch das Unbehagen vermieden, das von mancher Seite im Interesse einer angemessenen Anwaltshonorierung (auch der Gegenseite) geäußert wurde und dem man unter Übergehung von § 8 Abs. 1 BRAGO durch abweichende Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Gebührenberechnung beikommen möchte (Wenzel in GK-ArbGG, § 12 Rdn. 88).

Die Regelungen des § 19 GKG zu Hilfsantrag, Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage stehen nicht entgegen, weil es sich bei der bedingten Klageerweiterung eben nicht um ...

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