Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung bei Gruppenarbeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ist in einem Betrieb Gruppenarbeit eingeführt, so kann je nach deren Ausgestaltung der arbeitgeberseitig veranlaßte Gruppenwechsel eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG darstellen und dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG unterliegen.

 

Normenkette

BetrVG § 95 Abs. 3, § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Beschluss vom 05.12.1995; Aktenzeichen 6 BV 59/95)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.12.1995 – 6 BV 59/95 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten darum, ob nach Einführung von Gruppenarbeit der von der Arbeitgeberin (Antragsgegnerin) veranlaßte Gruppenwechsel eines Arbeitnehmers eine Versetzung darstellt und damit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (Antragstellers) gemäß § 99 BetrVG unterliegt.

Die Beteiligten schlossen unter dem 26.08.1994 eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Gruppenarbeit ab (Nr. 2/94).

Eine Schicht besteht aus drei Gruppen, die einen gemeinsamen Coach haben. Der Coach ist der ehemalige Schichtleiter. Wegen des Inhaltes der Regelung im einzelnen wird auf die bei den Akten befindliche Kopie der Betriebsvereinbarung Bezug genommen (Bl. 7 – 14).

Die Arbeitgeberin nimmt für sich das Recht in Anspruch, ohne Mitbestimmung des Betriebsrates die personelle Besetzung der Gruppen zu verändern, etwa Arbeitnehmer aus einer Gruppe herauszunehmen und sie einer anderen zuzuweisen.

Der Betriebsrat sieht darin angesichts der aus der vereinbarten Gruppenarbeit resultierenden Besonderheiten eine Versetzung, die mitbestimmungspflichtig sei.

Er hat dazu vorgetragen: Die Arbeitsgruppe sei nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung als kleinste Organisationseinheit im Betriebe zu verstehen, so daß der Wechsel von einer zu einer anderen Organisationseinheit zugleich auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches im Sinne des Versetzungsbegriffes darstelle. Für den betroffenen Arbeitnehmer führe der Gruppenwechsel zu völlig neuen, gruppenspezifischen Arbeitsbedingungen.

Wegen des Vortrages des Betriebsrates in erster Instanz im einzelnen wird auf die Antragsschrift vom 23.10.1995 Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, daß die Anweisung der Antragsgegnerin an einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin, von einer nach der Betriebsvereinbarung zur Gruppenarbeit vom 26.08.1994 gebildeten Arbeitsgruppe in eine andere Arbeitsgruppe derselben oder einer Schicht zu wechseln, eine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt und dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterliegt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin sieht in der Umsetzung eines Arbeitnehmers von einer Gruppe zur anderen keine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG. Es handele sich, so hat sie geltend gemacht, nicht um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches; denn die Arbeitstätigkeit des umgesetzten Arbeitnehmers sei vor und nach seiner Umsetzung im Rahmen der aus der Gruppenarbeit resultierenden Abwechslung in den konkret zu erledigenden Aufgaben identisch geblieben. Eine Änderung des Arbeitsortes liege ebenfalls nicht vor.

Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung könnte sich allenfalls aus einer Veränderung der organisatorischen Einheit, in die der Arbeitnehmer eingegliedert sei, oder der Arbeitsumstände, unter denen die Arbeit zu leisten sei, ergeben. Bei der organisatorischen Einheit werde in weiten Teilen der Literatur auf die kleinste Einheit abgestellt, der eine Leitung mit arbeitsrechtlicher Weisungsbefugnis vorstehe. Selbst wenn man diese sehr einengende Auslegung des Begriffes der organisatorischen Einheit zugrundelege, sei der Tatbestand einer kollektivrechtlichen Versetzung nicht gegeben. Unterster Vorgesetzter der aus drei Gruppen bestehenden Schicht sei der Coach (oder Schichtleiter). Dieser bleibe durch die Umsetzung unverändert. Durch den Wechsel der Gruppe trete somit für den Arbeitnehmer keine Änderung seiner organisatorischen Unterstellung und damit der Einheit, in die er eingegliedert sei, ein.

Das Modell der Gruppenarbeit beinhalte schließlich keine derartigen Besonderheiten für die Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten sei gegenüber hergebrachten Arbeitsgruppen, daß schon der bloße Wechsel der Gruppe als Versetzung anzusehen wäre.

Wegen des Vortrages der Arbeitgeberin in erster Instanz im einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 29.11.1995 Bezug genommen.

Verwiesen wird auch auf die Sitzungsniederschrift des Anhörungstermins vom 05.12.1995 und die dort überreichten Unterlagen.

Durch Beschluß vom 05.12.1995 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrates stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der arbeitgeberseitig veranlaßte Wechsel eines Arbeitnehmers von einer Arbeitsgruppe in eine andere stelle eine mitbestimmungspflichtige Versetzung nach § 99 Abs. 1 in Verbindung mit § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG...

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