Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkludenter Antrag auf Gewährung von PKH

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 114 ZPO erhält eine Partei unter bestimmten Voraussetzungen „auf Antrag” Prozesskostenhilfe. Der Antrag ist gemäß § 117 Abs. 1 ZPO bei dem Prozessgericht zu stellen. Als bestimmender Schriftsatz muss er vom Antragsteller, seinem gesetzlichen Vertreter oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben sein.

2. Weitere Anforderungen an einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe enthält das Gesetz nicht. Insbesondere schreibt es nicht vor, dass der Antrag ausdrücklich gestellt sein muss. Er kann daher konkludent gestellt werden. Für den Antrag i.S.v. § 114 ZPO gelten gegenüber anderen Prozesshandlungen insoweit keine Besonderheiten. Liegt ein ausdrücklicher Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht vor, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine konkludente Antragstellung gegeben ist.

3. Jedenfalls solange über den Antrag auf Prozesskostenhilfe noch nicht entschieden ist, ist regelmäßig von einer konkludenten Antragstellung für nachfolgende Klageerweiterungen auszugehen. Denn es kann regelmäßig nicht angenommen werden, dass ein Antragsteller und sein Prozessbevollmächtigter nur für einen Antrag, nicht aber für im selben Verfahren verfolgte weitere Anträge, Prozesskostenhilfe haben möchte. Vor diesem Hintergrund kann von einer nur teilweisen Antragstellung nur ausnahmsweise ausgegangen werden. Wenn das Gericht insoweit Zweifel hat, ist der Antragsteller nach § 139 ZPO zu befragen.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 117

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Beschluss vom 16.03.2011; Aktenzeichen 5 Ca 3199/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 16. März 2011 – 5 Ca 3199/10 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Dem Kläger wird für die Kündigungsschutzklage ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus B. bewilligt (mithin für einen Streitwert in Höhe von 7.488 Euro = 4 Monatsgehälter).

Dem Kläger wird für die Zahlungsanträge ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus B, soweit er die Zahlung von 9.214,80 Euro brutto abzüglich 4.550,84 Euro netto (mithin für einen Streitwert in Höhe von 4.663,96 Euro) bewilligt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger zu ½.

 

Gründe

I. Die insgesamt statthafte, form- und fristgerechte sofortige Beschwerde des Klägers ist zum Teil begründet. Dem Kläger war für die Kündigungsschutzanträge ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus B. zu bewilligen (mithin für einen Streitwert in Höhe von 7.488 Euro = 4 Monatsgehälter). Dem Kläger war darüber hinaus für die Zahlungsanträge ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus B, soweit er die Zahlung von 9.214,80 Euro brutto abzüglich 4.550,84 Euro netto (mithin für einen Streitwert in Höhe von 4.663,96 Euro) begehrt, zu bewilligen.

1. Der Kläger hat zunächst für sämtliche Klageanträge einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt.

a) Nach § 114 ZPO erhält eine Partei unter bestimmten Voraussetzungen „auf Antrag” Prozesskostenhilfe. Der Antrag ist gemäß § 117 Abs. 1 ZPO bei dem Prozessgericht zu stellen. Als bestimmender Schriftsatz muss er vom Antragsteller, seinem gesetzlichen Vertreter oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben sein (Zöller/Geimer § 117 ZPO Rn. 2).

Weitere Anforderungen an einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe enthält das Gesetz nicht. Insbesondere schreibt es nicht vor, dass der Antrag ausdrücklich gestellt sein muss. Er kann daher konkludent gestellt werden. Für den Antrag i.S.v. § 114 ZPO gelten gegenüber anderen Prozesshandlungen insoweit keine Besonderheiten. Liegt ein ausdrücklicher Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht vor, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine konkludente Antragstellung gegeben ist (LAG Köln 22. September 2010 – 1 Ta 240/10 – juris).

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Prozesshandlungen ebenso wie private Willenserklärungen der Auslegung zugänglich sind, wobei der Wortlaut hinter dem Parteiwillen zurücktritt. Bei der Auslegung ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen, auch dann, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist (BAG 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – NZA 2008, 589; LAG Köln 22. September 2010 – 1 Ta 240/10 – juris).

Jedenfalls solange über den Antrag auf Prozesskostenhilfe noch nicht entschieden ist, ist regelmäßig von einer konkludenten Antragstellung für nachfolgende Klageerweiterungen auszugehen. Denn es kann regelmäßig nicht angenommen werden, dass ein Antragsteller und sein Prozessbevollmächtigter nur für einen Antrag, nicht aber für im selben Verfahren verfolgte weitere Anträge, Prozesskostenhilfe haben möchte. Vor diesem Hintergrund kann von einer nur teilweisen Antragstellung nur ausnahmsweise ausgegangen werden. Wenn das Gericht insoweit Zweifel hat, ist der Antragsteller nach § 139 ZPO zu befragen.

b) Dana...

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