Entscheidungsstichwort (Thema)

rechtswidrige außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. wichtiger Grund. unbefugte Privatnutzung eines E-Mail-Accounts und des Internets. exzessive Nutzung. Weiterleitung von „Fun-Mails”. unerlaubte Nebentätigkeit, Erforderlichkeit vorheriger Abmahnung. Interessenabwägung

 

Normenkette

KSchG § 15 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Urteil vom 15.03.2011; Aktenzeichen 3 Ca 3193/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 15.03.2011 – 3 Ca 3193/10 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Die am 24.06.1960 geborene Klägerin ist verheiratet. Seit 1984 ist die Klägerin, die eine Ausbildung als Physiklaborantin besitzt, bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden als Chemielaborantin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die chemische Industrie Westfalen Anwendung. Unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 erzielte die Klägerin zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von rund 2.920,80 EUR brutto.

Die Beklagte gehört einer Unternehmensgruppe an, die weltweit an verschiedenen Standorten Latices und Acrylat-Dispersionen herstellt. Sie hat ihren Sitz in M1 und beschäftigt dort zurzeit 379 Mitarbeiter. Neben Marketing, Vertrieb und Anwendungstechnik sowie Forschung und Entwicklung unterhält die Beklagte in M1 insgesamt zwei Produktionsstätten, und zwar an der W1 (PLC) und im Chemiepark M1 (CPM).

Im Betrieb der Beklagten ist ein aus neun Personen bestehender Betriebsrat gebildet, dessen Vorsitzender Herr P1 B2 ist. Mitglied des Betriebsrats ist seit langen Jahren auch die Klägerin. Sie gehört auch zum Vertrauensleutevorstand der IG BCE. Das Betriebsratsbüro befindet sich im Chemiepark M1 (CPM), Bau 2620.

Die Beklagte unterhält einen Pool mit zurzeit sechs PKW als Dienstfahrzeugen, die unter anderem von den Betriebsratsmitgliedern ausschließlich für Dienstfahrten im Rahmen der Betriebsratstätigkeiten, z. B. für Fahrten von der Zentrale der Beklagten (PLC) in der W1 in M1 zum Chemiepark M1 (CPM) genutzt werden dürfen. Die Nutzer der Dienstfahrzeuge sind verpflichtet, ein Fahrtenbuch zu führen und für jede Fahrt Angaben über Datum, Strecke, Fahrtziel, Kilometerstand Anfang und Ende, gefahrene Kilometer etc. zu machen. Wegen der Einzelheiten zur Nutzung der Dienstwagen der Beklagten wird auf die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01.09.2006 über die „Zuweisung und Beschaffung von Dienstfahrzeugen, Mietwagen, Privatwagen und Bahncard” (Bl. 68 ff. d. A. 10 Sa 471/11 LAG Hamm) sowie auf die Verfahrensanweisung „Carpool P3 L1Center vom 03.03.2010 (Bl. 73 ff. d. A. 10 Sa 471/11 LAG Hamm) Bezug genommen.

Die Klägerin hat in den vergangenen Jahren ihrer Beschäftigung bei der Beklagten regelmäßig von der Möglichkeit der Nutzung eines Dienstfahrzeuges Gebrauch gemacht. In den Fällen, in denen die Klägerin unmittelbar zu Dienstbeginn einen Termin im Chemiepark M1 wahrzunehmen hatte, war es ihr von der Beklagten gestattet, das jeweilige Dienstfahrzeug am Werktag zuvor für den Heimweg zur S2 12 in M1 zu benutzen, um am nächsten Werktag von dort aus direkt zum Chemiepark M1 und wieder zurück zur Zentrale der Beklagten zu fahren. Für die von der Klägerin mit dem Dienstwagen in der Vergangenheit zurückgelegten Fahrten, die dienstlich veranlasst waren, sind mehrere von der Beklagten aufgelistete Fahrtstrecken möglich. Ob die Klägerin in der Vergangenheit den Dienstwagen zu privaten Zwecken genutzt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 03.09.2010 berichtete ein Mitarbeiter der Beklagten, den diese nicht namentlich benennt, Mitarbeitern der Personalabteilung der Beklagten, den Herren G1 und S3, darüber, dass die Klägerin wiederholt Dienstwagen der Beklagten unbefugt privat genutzt habe. Ferner wurde der Klägerin vorgeworfen, sie habe streng vertrauliche Informationen über das Unternehmen der Beklagten per E-Mail an unbefugte Dritte weitergeleitet. Am 06.09.2010 wurde auch der Geschäftsführer der Beklagten, Herr Dr. H1, von diesem Mitarbeiter über derartige Pflichtverletzungen seitens der Klägerin informiert.

Aufgrund dieser Anschuldigungen gegen die Klägerin wurden in der Zeit vom 07.09.2010 bis zum 09.09.2010 stichprobenweise einige Fahrtenbücher überprüft. Hierbei stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in die Fahrtenbücher Eintragungen für Dienstfahrten von der Zentrale der Beklagten (PLC) zum Chemiepark M1 (CPM) vorgenommen hat, die zum Teil von den von ihr festgestellten Kilometerangaben zu den jeweiligen Fahrtstrecken abweichen. Auf die Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 25.10.2010 (Bl. 51 d. A. 10 Sa 471/11 LAG Hamm) wird Bezug genommen.

Die Beklagte nahm ferner den Vorwurf des anonymen Mitarbeiters, die Klägerin habe streng vertrauliche Informationen über die Beklagte per E-Mail an unbefugte Dritte weitergegeben, zum Anlass, am 08.09.2010 ...

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