Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine vertragliche Einheitsregelung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Umdeutung einer kollektivrechtlich unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine vertragliche Einheitsregelung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich auf jeden Fall verpflichten wollen, den Arbeitnehmern die in der unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen.

 

Normenkette

BGB § 140; BetrVG § 77 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Urteil vom 29.10.2003; Aktenzeichen 2 Ca 241/03 o)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 29.10.2003 – 2 Ca 241/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung restlicher Jahressonderleistung für das Jahr 2002.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie und beschäftigt ca. 120 Arbeitnehmer. Sie ist nicht tarifgebunden.

Der Kläger, der Mitglied der Christlichen Gewerkschaft Metall ist, war seit dem 15.03.1998 als Lackiererarbeiter bei der Beklagten beschäftigt.

Am 27.01.1972 fand in den Betriebsräumen der Beklagten eine Besprechung statt, an der die Geschäftsleitung der Beklagten, der damalige Betriebsrat sowie ein Vertreter der IG Metall teilnahmen. Über die Besprechung wurde eine Niederschrift gefertigt, in der es u.a. heißt:

„Folgende Punkte wurden besprochen und festgelegt.

1. Ab dem 01.01.1972 hat der Tarifvertrag der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie für die Fa. S2xxxxx (Inhaber und Belegschaft) feste Gültigkeit. Bei einer Firmenumbildung (Eintragung Amtsgericht ect.) müssten evtl. neue Tarifvertragsgrundlagen gefunden werden.”

Die Niederschrift vom 31.01.1972 ist durch einen Vertreter des Betriebsrats und der damaligen Geschäftsleitung der Beklagten unterzeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Niederschrift wird auf Bl. 20 der Akte Bezug genommen. Eine Durchschrift der Niederschrift übersandte die Beklagte an die IG Metall in Olpe.

Auf der Grundlage der oben genannten Niederschrift zahlte die Beklagte in den folgenden Jahren an ihre Mitarbeiter, so auch an den Kläger, Jahressonderleistungen nach Maßgabe des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW.

Im Verlauf des Jahres 2000 kündigte die Beklagte die in der Niederschrift vom 31.01.1972 festgehaltene Regelung zum 31.12.2000. Für das Jahr 2001 zahlte sie an ihre Mitarbeiter das im oben genannten Tarifvertrag vorgesehene anteilige 13. Monatseinkommen unverändert aus. Im Jahre 2002 zahlte sie dagegen an die Mitarbeiter, so auch an den Kläger, lediglich 25 % der im genannten Tarifvertrag festgelegten Sonderleistung.

Mit vorliegender Klage, die am 11.02.2003 beim Arbeitsgericht Siegen einging, verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung der restlichen Sonderleistung für das Jahr 2002 in Höhe der Differenz zwischen der erhaltenen und der im genannten Tarifvertrag festgelegten Jahressonderzahlung. Er hat vorgetragen, bei der Niederschrift der Besprechung vom 27.01.1972 handele es sich um eine Regelungsabrede, nach der die für die Metall- und Elektroindustrie geltenden Tarifverträge auf die Beschäftigungsverhältnisse der bei der Beklagten tätigen Arbeitnehmer Anwendung finden sollten. Falls diese Vereinbarung nichtig sei, sei eine betriebliche Übung zu unterstellen, weil durch die Beklagte eine „Anerkennung durch Erfüllung” stattgefunden habe.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 823,02 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Jahressonderleistung für das Jahr 2002 in Höhe von 823,02 Euro. Die Zahlung der Jahressonderleistung sei in den vergangenen Jahren aufgrund eines vermeintlich bestehenden Haustarifvertrages erfolgt; im Verlauf des Jahres 2002 habe sich herausgestellt, dass diese Regelung von Anfang an nichtig gewesen sei. Sie, die Beklagte, habe in der Vergangenheit in Erfüllung dieser vermeintlichen Verbindlichkeit Weihnachtsgeld an ihre Mitarbeiter gezahlt. In der irrigen Annahme, dass es sich bei der Niederschrift der Besprechung vom 27.01.1972 um einen Tarifvertrag gehandelt habe, habe sie nach Kündigung der Vereinbarung zum 31.12.2000 ausgehend von einer Nachwirkung auch im Jahre 2001 die im einschlägigen Tarifvertrag vorgesehenen Beträge an ihre Mitarbeiter ausgezahlt. Erst Mitte des Jahres 2002 habe sie erfahren, dass der vermeintlich fortgeltende Haustarifvertrag von Anfang an unwirksam gewesen sei. Der „Haustarifvertrag” sei nämlich nicht von der Gewerkschaft unterschrieben worden. Ein nichtiger Tarifvertrag entfalte keinerlei Wirkungen, begründe insbesondere auch keine betriebliche Übung. Bei der Vereinbarung handele es sich auch nicht um eine wirksame Betriebsvereinbarung. Die Regelung, dass ein Tarifvertrag für alle Mitarbeiter gelt...

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