Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Führung unerlaubter privater Telefonate. abgestufte Darlegungslast. Abmahnung. Erforderlichkeit. Beweisverwertungsverbot bei Verstoß gegen Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Verstoß gegen Persönlichkeitsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Verwendungs- und Verwertungsverbot für vom Arbeitgeber unter Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erlangter Nutzungsdaten des Diensthandys kommt nur dann in Betracht, wenn durch das Verhalten des Arbeitgebers bei den von ihm durchgeführten Kontrollen Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers erheblich verletzt worden sind.

2. Führt der Arbeitnehme private Telefongespräche von seinem Dienstapparat, deklariert er diese aber fälschlicherweise als vom Arbeitgeber zu zahlende Dienstgespräche, so liegt darin eine erhebliche Vertragspflichtverletzung, die den Vertrauensbereich, die Loyalität und Ehrlichkeit des Arbeitnehmers berührt und zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 15 Abs. 1; BetrVG §§ 103, 87 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 12.09.2007; Aktenzeichen 3 Ca 1653/07)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 9 AZN 161/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 12.09.2007 – 3 Ca 1653/07 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 28.04.1944 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder, die 1968 und 1978 geboren sind. Der Kläger ist gelernter Dipl.-Chemiker und seit dem 01.04.1992 bei der Beklagten, die Pharmazeutika herstellt und diese vertreibt, aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.02.1992 (Bl. 4 ff.d.A.) als Pharmareferent im Außendienst tätig. Die Beklagte beschäftigt ca. 300 Mitarbeiter, davon ca. 60 im Außendienst.

Nach § 4 des Arbeitsvertrages hatte der Kläger mindestens 45 Arztbesuche pro Woche durchzuführen. Außerdem erstreckte sich die Besuchstätigkeit des Klägers nach Anweisung auch auf öffentliche Apotheken, Krankenhausapotheken und pharmazeutische Großhandlungen sowie für den Einkauf von Arzneimitteln zuständige sonstige Stellen. Aktuell waren dem Kläger die Bezirke B5 und S4-A2 zur Bearbeitung zugewiesen. Sein zuletzt bezogenes monatliches Bruttoentgelt betrug 3.100,– EUR zuzüglich Prämien zwischen 4.000,– EUR und 6.000,– EUR. Dem Kläger stand ein Dienstwagen mit 7.500 privaten Freikilometern zur Verfügung.

Seit 1993 war der Kläger Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrats, der aus neun Personen besteht. Dort verstand er sich als Interessenvertreter der Außendienstmitarbeiter.

In dem seit der Wahlperiode ab 28.03.2006 neu gewählten Betriebsrats war der Kläger zunächst lediglich Ersatzmitglied. Am 25.10.2006 rückte er als Betriebsratsmitglied für das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied P9 in den Betriebsrat nach, wobei er zuvor als Ersatzmitglied lediglich an der Betriebsratssitzung vom 13.10.2006 teilgenommen hatte.

Bereits im Jahre 1997 hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Vorwurf eines Spesenbetruges erhoben und dessen außerordentliche Kündigung beabsichtigt. Ein beim Arbeitsgericht Bielefeld – 7 BV 18/97 – geführtes Zustimmungsersetzungsverfahren blieb jedoch erfolglos. Die dagegen eingelegte Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Hamm nahm die Beklagte zurück, nachdem der Kläger aus dem Betriebsrat ausgeschieden war.

Im Frühjahr 2005 wurde der Außendienst der Beklagten umstrukturiert. Bei den insoweit geführten Sozialplanverhandlungen war der Kläger auf Seiten des Betriebsrats dessen Verhandlungsführer.

Ob der Kläger und dessen Ehefrau, die ebenfalls bei der Beklagten als Pharmareferentin tätig war, es seit dem Jahre 2006 angestrebt haben, möglichst frühzeitig und zu möglichst günstigen Bedingungen aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten auszuscheiden oder ob es Bestreben der Beklagten war, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und seiner Ehefrau möglichst frühzeitig zu beenden, ist zwischen den Beteiligten streitig. Am 28.08.2006 führte der Personalleiter der Beklagten, Herr H6, mit dem Kläger ein Gespräch, in dem es unter anderem um die weitere Zusammenarbeit der Parteien und deren Dauer ging. Auf das vom Kläger gestellte Gedächtnisprotokoll (Bl. 151 f.d.A.) wird Bezug genommen.

Im Dezember 2006 leitete der Betriebsrat ein Ausschlussverfahren gegen den Kläger ein, das im Januar 2007 jedoch scheiterte.

Im Dezember 2007 entstand bei der Beklagten der Eindruck, dass die Ehefrau des Klägers ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr ordnungsgemäß nachging. Nach der Einschaltung eines Detektivs und einer Anhörung der Ehefrau des Klägers in der Personalabteilung am 17.01.2007 kündigte die Beklagte das mit der Ehefrau des Klägers bestehende Arbeitsverhältnis am 26.01.2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß. Das von der...

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