Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitwirkung an Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Pflicht zur Mitwirkung an Beendigung durch Tarifvertrag. Tätigkeit als Leiharbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch tarifvertragliche Regelung kann der Arbeitnehmer regelmäßig nicht wirksam verpflichtet werden, an der Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses mitzuwirken oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung tätig zu werden. Eine solche Regelung widerspricht den Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes.

2. Gehen die Verpflichtungen, an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitzuwirken oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung tätig zu werden, nach dem Willen des Arbeitgebers unmittelbar mit der Versetzung in einen Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb einher, so kann der Arbeitnehmer die Wirksamkeit der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage überprüfen lassen.

 

Normenkette

GewO § 106; TV Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau Ziff. 3.2; Richtlinie zur Gewährung von Anpassungsgeld (APG)

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 18.06.2013; Aktenzeichen 5 Ca 89/13)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 18.06.2013, Az.: 5 Ca 89/13 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten vor dem Hintergrund der Beendigung des Steinkohlenbergbaus um die Rechtswirksamkeit einer Versetzung des Klägers.

Die Beklagte betrieb im Jahr 2012 drei Steinkohlebergwerke und zwar das Bergwerk X in L, das Bergwerk B in N sowie das Bergwerk Q in C. Zudem betrieb die Tochtergesellschaft der Beklagten, die S GmbH ein Bergwerk in J. In jedem Bergwerk gab es einen Betriebsrat. Zudem existierte ein Gesamtbetriebsrat.

Der Kläger war bei der Beklagten im Bergwerk Q in C beschäftigt.

Mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20.12.2007 beschloss der Gesetzgeber die Beendigung der subventionierten Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018. Gemäß der Richtlinie zur Gewährung von Anpassungsgeld (APG) an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Steinkohlenbergbau des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 04.12.2008 erhalten Arbeitnehmer vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Anpassungsgeld, wenn sie, vereinfacht dargestellt, vor dem 01.01.2023 aus betriebsbedingten Gründen entlassen werden, ihr Arbeitsverhältnis bereits vor dem 01.01.2006 begründet war, sie bestimmte Tätigkeitszeiten zurückgelegt haben und in längstens fünf Jahren in Rente gehen können. Wegen der Einzelheiten wird auf die im Bundesanzeiger Nr. 196 vom 24.12.2008, S. 4697 ff., veröffentlichten Richtlinien Bezug genommen.

Am 29.02.2012 schlossen die IG BCE und der Gesamtverband Steinkohle e.V. den ab dem 01.04.2012 gültigen Tarifvertrag zur Gestaltung sozialverträglicher Personalmaßnahmen anlässlich der Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus zum 31.12.2018 (im Folgenden: Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau).

Der Tarifvertrag differenziert nach Beschäftigten, die Anpassungsgeld gemäß der Richtlinie zur Gewährung von Anpassungsgeld in Anspruch nehmen können und Beschäftigten, bei denen die Voraussetzungen für die Gewährung von Anpassungsgeld nicht erfüllt sind. Bei Abschluss des Tarifvertrags gab es bei der Beklagten ca. 1700 Mitarbeiter, bei denen die Voraussetzung für die Gewährung von Anpassungsgeld nicht vorlagen. Hierzu gehörte auch der Kläger.

Unter Ziffer 3 regelt der Tarifvertrag die Einrichtung eines Mitarbeiterentwicklungscenters (M.E.C.), welches von den Arbeitgebern des deutschen Steinkohlebergbaus bis zum 31.12.2018 zu unterhalten ist (Ziffer 3.1 TV Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau). Aufgabe des M.E.C. ist u.a. die Qualifizierung und Vermittlung der dorthin versetzten Arbeitnehmer auf zumutbare Arbeitsplätze in den konzerninternen und externen Arbeitsmarkt (Ziffer 3.2 TV Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau).

Unter Ziffer 5 trifft der Tarifvertrag u.a. folgende Regelungen für nicht APG-berechtigte Arbeitnehmer:

5.2 Versetzung in das M.E.C.

Nicht APG-berechtigte Arbeitnehmer können ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages in das M.E.C. versetzt werden. Diese Versetzung ist zumutbar.

5.3 Mitwirkungspflichten der Arbeitnehmer im M.E.C.

5.3.1 Allgemeine Mitwirkungspflichten

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. für die Vermittlung und Qualifizierung zur Verfügung zu halten. Das bedeutet insbesondere, dass er seine Erreichbarkeit sicherzustellen hat. Er hat allen Anforderungen Folge zu leisten und alle erforderlichen Angaben zu machen und Unterlagen beizubringen, die für die Erstellung des Profils und die weitere Vorbereitung und Unterstützung der Vermittlung und Qualifizierung erforderlich sind. Er ist verpflichtet, nach Aufforderung an Informationsveranstaltungen teilzunehmen. Jede Änderung in seinen persönlichen Umständen, die für die Vermittlung und Qualifizierung von Bedeutung sein könnten, sind dem zu...

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