Entscheidungsstichwort (Thema)

Formularmäßige Fälligstellung eines Arbeitgeberdarlehens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung auf den Ablauf einer Ausschlussfrist. Wirksamkeit der formularmäßigen Vereinbarung einer Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Klausel in einem vom Arbeitgeber gestellten Darlehensvertrag, nach welcher der noch nicht getilgte Restbetrag eines vom Arbeitgeber gewährten Darlehens insgesamt zur Zahlung fällig wird, wenn das Arbeitsverhältnis gleichgültig aus welchen Gründen und in welcher Form endet, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

2. Der Arbeitgeber kann sich als Verwender auf die Unwirksamkeit der Fälligkeitsregelung nicht berufen. Er hat daher innerhalb der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Ausschlussfristen den noch offenen Restbetrag des Darlehens unter Zugrundelegung der unwirksamen Gesamtfälligkeitsregelung rechtzeitig geltend zu machen.

3. Der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf den Ablauf einer Ausschlussfrist greift befristet nur solange, wie der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer von der Einhaltung der Anschlussfrist abgehalten wird. Endet dieser Vertrauenstatbestand vor Ablauf der Ausschlussfrist, ist der Arbeitgeber gehalten, innerhalb der noch laufenden Ausschlussfrist seinen Anspruch geltend zu machen, soweit dies angemessen und zumutbar ist.

Bei einem einfachen Sachverhalt, der keine weiteren Ermittlungen erfordert, ist im Übrigen von dem Zeitpunkt an, ab dem der Arbeitgeber von einer Geltendmachung nicht mehr abgehalten wird, maximal eine Woche als angemessene Frist zur Geltendmachung anzusehen.

4. Zur Annahme einer Vergütungsvereinbarung neben dem schriftlichen Arbeitsvertrag (Einzelfallentscheidung).

5. Eine einzelvertragliche, der AGB-Kontrolle unterliegende Ausschlussfrist, die für "alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen" gelten soll, erfasst auch Ansprüche aus der Haftung wegen Vorsatzes sowie für Schäden, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder auf grober Fahrlässigkeit beruhen.

6. Eine solche Ausschlussfrist ist insgesamt unwirksam, selbst wenn in ihr geregelt ist, dass sie nicht "für Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit und ebenfalls nicht bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen" gelten soll.

a) Sie verstößt gegen § 309 Nr. 7 Buchst. b) BGB, denn eine Verkürzung der Verjährungsfristen Ansprüche auf Schadensersatz wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzung stellt eine Haftungsbegrenzung im Sinne dieser Vorschrift dar (im Anschluss an BGH, 15. November 2006, VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674; 26. Februar 2009, Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486; entgegen BAG, 25. Mai 2005, 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; 28. September 2005, 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149).

b) Sie verstößt zudem gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

c) Ausschlussfristen für die schriftliche und gerichtliche Geltendmachung von "allen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solchen, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen" sind in den einzelnen Stufen hinsichtlich der Art der von ihnen erfassten Ansprüche nicht teilbar.

 

Normenkette

BGB §§ 139, 242, 305, 305c Abs. 2, §§ 306-307; BGG § 309; BGB § 309 Nr. 7, § 310

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Entscheidung vom 05.03.2014; Aktenzeichen 3 Ca 862/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.09.2017; Aktenzeichen 8 AZR 67/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 5. März 2014 (3 Ca 862/13) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 15.000,00 Euro brutto "Provision" für das Jahr 2012 zu zahlen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehns und die Zahlung einer Provision.

Der Beklagte war aufgrund eines von der Klägerin gestellten, von ihrem Geschäftsführer aus dem Internet heruntergeladenen und in einer Vielzahl von Fällen verwendeten schriftlichen Formulararbeitsvertrages vom 31. Dezember 2010 in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2013 als Einkaufs- und Vertriebsleiter beschäftigt, nachdem er zuvor seit 2008 als freier Handelsvertreter bereits für sie tätig gewesen war. Inhalt ist gemäß § 13 Arbeitsvertrag folgende Ausschlussfrist:

(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Die Nichteinhaltung dieser Ausschlussfrist führt zum Verlust des Anspruchs.

(2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtli...

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