Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der rechtskräftigen Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds hinsichtlich des Einwandes, die zweiwöchige Frist gem. § 626 Abs. 2 S. 1 BGB sei nicht eingehalten

 

Leitsatz (amtlich)

Wird in einem Beschlussverfahren nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG rechtskräftig die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ersetzt, kann sich der betroffene Arbeitnehmer im anschließenden Kündigungsschutzverfahren wegen der eingetretenen Bindungswirkung (auch) nicht mehr wirksam darauf berufen, die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB sei nicht eingehalten worden, es sei denn, er bringt Tatsachen vor, die er im vorangegangenen Zustimmungsersetzungsverfahren nicht hätte geltend machen können.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 2 S. 1; BetrVG § 103 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 06.12.2016; Aktenzeichen 5 Ca 2477/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen 2 AZR 401/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 06.12.2016 - 5 Ca 2477/16 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung; der Kläger begehrt hilfsweise seine Weiterbeschäftigung.

Der am xx.xx.1965 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 01.11.2003 als Fachverkäufer für Waffen und Munition einschließlich Zubehör zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.500,-- € für die Beklagte tätig. Er arbeitete in der Filiale in D, bestehend aus dem Leiter und sieben Beschäftigten. Er bekleidete dort das Amt des einköpfigen Betriebsrates; es gab keine Ersatzmitglieder.

Am 13.02.2015 leitete die Arbeitgeberin ein Beschlussverfahren ein, gerichtet auf die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers (Aktenzeichen: 2 BV 13/15 - ArbG Dortmund = 13 TaBV 58/15 - LAG Hamm = 2 ABN 51/16 - BAG). Mit Beschluss vom 14.03.2016 wies das Landesarbeitsgericht Hamm die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung, in der die Zustimmung ersetzt worden war, zurück. Zur Begründung wird in dem zweitinstanzlichen Beschluss ausgeführt, dass der Kläger in der Vergangenheit unzulässige Konkurrenztätigkeiten entfaltet habe, so dass die Arbeitgeberin unter Wahrung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB berechtigt sei, außerordentlich zu kündigen. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 02.06.2016 zurück.

Nachdem der Beklagten am 16.06.2016 die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugestellt worden war, sprach sie dem Kläger noch am 16.06.2016 die streitbefangene außerordentliche Kündigung aus (Bl. 4 d. A.).

Gegen deren Wirksamkeit wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Er hat die Auffassung vertreten, die Bindungswirkung des vorangegangenen Beschlussverfahrens erstrecke sich nicht auf die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB. So könne er noch vortragen, dass Herr Q2, der Filialleiter in D, vom Kollegen in der Filiale F, B, am 14.11.2014 eine Waffenbesitzkarte des Kunden K, dem der Kläger Waffen verkauft habe, erhalten habe. Die Rechnung an den Kunden sei unter dem 02.12.2012 datiert und per Fax vom 14.11.2014 an die Filiale in D weitergeleitet worden. Weitere Nachforschungen der Beklagten seien überflüssig gewesen.

Spätestens am 22.01.2015 habe diese volle Kenntnis von den kündigungsrelevanten Tatsachen gehabt. So habe der Kunde S bei einer Auktion eine Waffe vom Kläger erstanden. Dieser Kunde habe bei dem Geschäft im Auftrag der Beklagten gehandelt. Am 20.01.2015 habe der Kläger eine Rechnung an den Kunden S erstellt und am 22.01.2015 eine Handelslizenz an diesen weitergeleitet. Da man davon ausgehen müsse, dass der Zeuge S die Unterlagen unverzüglich an die Beklagte weitergeleitet habe, sei von dieser die vierzehntägige Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gewahrt worden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16.06.2016 nicht aufgelöst worden ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens zu unveränderten Bedingungen als Verkäufer in D bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsstreit weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Meinung vertreten, die Bindungswirkung des vorangegangenen Beschlussverfahrens erfasse nicht nur § 626 Abs. 1 BGB, sondern auch § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Davon abgesehen habe sie erst am 02.02.2015 eine sichere Kenntnis über den Kündigungssachverhalt erlangt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.12.2016 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Bindungswirkung des vorangegangenen Beschlussverfahrens auch die Frage der Wahrung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB betreffe. Der Kläger habe im je...

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