Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Stichtagsregelung in einem Sozialplan hinsichtlich des für die Berechnung der Abfindung maßgeblichen Bruttomonatsentgelts bei Arbeitnehmer, die während der Elternzeit Teilzeitarbeit leisten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Stichtagsregelung in einem Sozialplan, wonach für die Berechnung einer Abfindung das Bruttomonatsentgelt eines bestimmten Monats maßgeblich sein soll, ist nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU unwirksam, soweit bei Arbeitnehmern, die während der Elternzeit Teilzeitarbeit nach § 15 BEEG leisten, die dafür bezogene Vergütung der Berechnung zugrunde gelegt werden soll.

2. Maßgeblich ist die vor Antritt der Elternzeit bezogene Vergütung, im Falle einer vorherigen Vollzeittätigkeit diejenige für diese Beschäftigung.

 

Normenkette

EURL 2010/18 § 5 Abs. 1 Anhang; EGRL 34/96 § 2 Nr. 6 Anhang; BEEG § 15; BetrVG § 112

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 11.02.2016; Aktenzeichen 1 Ca 1761/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 11. Februar 2016 (1 Ca 1761/15) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 73.742,02 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. November 2015 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe einer dem Kläger zustehenden Sozialplanabfindung.

Der 1968 geborene, verheiratete und drei Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 25. Mai 1998 Arbeitnehmer der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Der Kläger gehörte dem Betrieb der Beklagten in P seit 2006 an, nachdem er zuvor in einem Tochterunternehmen in S beschäftigt gewesen war. Er arbeitete zunächst in Vollzeit. Ab 2007 befand sich der Kläger nach der Geburt seines ersten Kindes durchgehend bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2015 in Elternzeit, zunächst ohne Teilzeitarbeit in Anspruch zu nehmen. Dies war erst seit 2008 bis zur Beendigung der Fall. Die letzte Elternzeit hätte am 15. Juni 2016 geendet.

Der Betrieb der Beklagten in P wurde zum 30. September 2015 stillgelegt. Anlässlich der Stilllegung vereinbarten die Betriebsparteien einen Interessenausgleich und Rahmensozialplan vom 11. Februar 2015 (Bl. 5 ff. d. A.), in dem zur Berechnung der Abfindung u. a. Folgendes geregelt ist:

2.2. Die Abrechnung berechnet sich wie folgt:

Die Abfindung setzt sich aus einem Sockelbetrag von 2.500,00 EUR, einer durch Formel errechneten Grundabfindung und individuellen Komponenten für Unterhaltspflichten, besondere Belastungen und Schwerbehinderung/Gleichstellung zusammen. Die individuelle Grundabfindung kann maximal 120.000,00 EUR (Kappungsgrenze) betragen.

Die Formel zur Berechnung der Grundabfindung lautet:

Betriebszugehörigkeit in Jahren x Bruttomonatsgehalt

Die Unterhaltskomponente für bestehende Unterhaltspflichten beträgt:

ür die Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehe-/Lebenspartner einer eingetragenen Partnerschaft einmalig 1.000,00 EUR

für jedes unterhaltsberechtigte Kind einmalig 3.000,00 EUR. ...

2.3. Berechnungsgrundlage für die Abfindungen ist das Bruttomonatsgehalt für den Februar 2015 ohne Zulagen, Sonderzahlungen, Prämien, variable Anteile und Boni, maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze (6.050,00 €). Stichtag für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit und die Feststellung der Unterhaltspflichten ist der 01.02.2015. Die Betriebszugehörigkeit wird monatsgenau berechnet. ...

2.5. Der Abfindungsanspruch ... wird vorbehaltlich der nachfolgenden Regelungen einen Monat nach dem Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung der Arbeitsverhältnisses zur Zahlung fällig. ...

Der Kläger nahm ein Angebot der Beklagten auf einen Wechsel in die im Rahmensozialplan ebenfalls vorgesehene Transfergesellschaft an. Die Parteien schlossen zum 30. September 2015 einen entsprechenden Aufhebungsvertrag. Die Beklagte zahlte an den Kläger eine Sozialplanabfindung in Höhe von 39.792,98 Euro brutto. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Sockelbetrag:

2.500,00 Euro

Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau:

1.000,00 Euro

Unterhaltspflichten gegenüber 3 Kindern:

9.000,00 Euro

Grundabfindungsbetrag:

27.292,98 Euro

Den Grundabfindungsbetrag errechnete die Beklagte auf der Basis einer Betriebszugehörigkeit von 16,7 Jahren und dem auf der Basis seiner Teilzeittätigkeit im Februar 2015 gezahlten Bruttogehalt in Höhe von 1.636,27 Euro. Bis zum Beginn seiner Elternzeit hatte der Kläger monatlich 6.135,25 Euro brutto verdient.

Mit einem am 30. November 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben, weil nach seiner Auffassung die Sozialplanabfindung auf Grundlage seiner Vollzeitvergütung zu berechnen sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unter Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Septembe...

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