Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstunden. Direktionsrecht. Erweiterung des Direktionsrechts. Vertragsänderung. Anspruch auf Beibehaltung von Überstunden. Betriebsübung

 

Leitsatz (amtlich)

Übernimmt der Arbeitnehmer auf Wunsch des Arbeitgebers gegen Gewährung von Überstundenvergütung nebst Zuschlägen die zusätzliche Aufgabe, die betrieblichen Räumlichkeiten fünfzehn Minuten vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende zu öffnen und zu schließen, so liegt hierin keine Ausweitung der beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern allein die vereinbarte Ausweitung des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts mit der Folge, dass es bei Wegfall des Überstundenbedarfs keiner Vertragsänderung durch Änderungskündigung bedarf. Soweit sich aus der langjährigen Handhabung ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Arbeitnehmers ergeben kann, nicht grundlos von der Überstundenleistung ausgeschlossen zu werden, betrifft dies nicht den Wegfall des Bedarfs infolge von Änderungen der Betriebsorganisation.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 315

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Urteil vom 16.03.2007; Aktenzeichen 1 Ca 1321/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.04.2009; Aktenzeichen 5 AZR 133/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 16.03.2007 – 1 Ca 1321/06 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, dem Kläger einseitig – d.h. ohne Änderungskündigung – die vormals im Wege einvernehmlicher Überstundenleistung zugewiesene und langjährig ausgeübte Zusatzaufgabe, Tore und Türen des Werksgeländes 15 Minuten vor Arbeitsbeginn zu öffnen und 15 Minuten nach Arbeitsende zu schließen, zu entziehen.

Durch Teilurteil vom 16.03.2007 (Bl. 72 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts und der hierin in Bezug genommenen Urkunden verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Anträge des Klägers

  1. festzustellen, dass die Entziehung der Zusatztätigkeit des Klägers, nämlich des Öffnens und Schließens der Tore und Eingangstüren zum GWA-Gelände in H1, unwirksam ist;
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auch über den 31.12.2006 hinaus mit dem Öffnen und Schließen der Tore und Eingangstüren zum GWA-Gelände in H1 zu betrauen,

abgewiesen.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die Beklagte sei berechtigt gewesen, dem Kläger die fragliche Tätigkeit aufgrund ihres Direktionsrechts zu entziehen. Bei der Zuweisung der Tätigkeit habe es sich nämlich allein um die Anordnung von Überstunden gehandelt, ohne dass ein besonderes Vertrauen des Klägers auf eine dauerhafte Zuweisung von Mehrarbeit begründet worden sei. Entgegen dem Standpunkt des Klägers beruhe die übernommene Tätigkeit nicht auf einer Sondervereinbarung oder Nebenabrede zum Arbeitsvertrag, vielmehr bedeute das Einverständnis des Klägers mit der Übernahme der an sich vertragsfremden Tätigkeit lediglich ein Einverständnis mit der teilweisen Ausweitung des Direktionsrechts. Auch die jahrelang gehandhabte Abrechnungspraxis, nach welcher die zusätzlichen Tätigkeiten als zuschlagspflichtige Überstunden abgerechnet worden seien, mache deutlich, dass eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages mit dem Inhalt, dass die Zusatztätigkeit Inhalt des Arbeitsvertrages werde, nicht getroffen sei, zumal insoweit auch die nach § 4 Ziffer 1 b TV-AL II erforderliche Schriftform fehle. Unter diesen Umständen bedürfe es zur Entziehung der Zusatzaufgabe keiner vertragsändernden Regelung oder Kündigung, vielmehr habe die Beklagte kraft Direktionsrechts dem Kläger seine bisher geleistete Überstundentätigkeit entziehen können. Auch die langjährige Ausübung der Tätigkeit seit dem Jahre 1988 genüge nicht, um einen Anspruch auf Beibehaltung der angeordneten Überstunden aus Vertrauensgesichtspunkten bzw. aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung zu begründen. Irgendwelche Anhaltspunkte, welche aus Sicht des Klägers die Annahme rechtfertigten, ihm solle die übernommene Mehrarbeit auf Dauer zugewiesen werden, seien nicht ersichtlich. Schließlich habe die Beklagte bei der Ausübung des Direktionsrechts auch die Grundsätze billigen Ermessens gewahrt. Unwidersprochen habe die Beklagte vorgetragen, dass die Werkshallen nur noch bei Bedarf geöffnet würden und im Übrigen die Beschäftigten selbst das Öffnen und Schließen von Türen und Toren übernähmen. Eine Umorganisation, welche zum Abbau von Überstunden führe, entspreche den berechtigten Grundsätzen sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung und könne schon aus diesem Grunde nicht beanstandet werden.

Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger die vom Arbeitsgericht abgewiesenen Anträge weiter und hält an seiner Auffassung fest, eine einseitige Entziehung der Tätigkeit allein aufgrund des Direktionsrechts komme nicht in Betracht. Richtig sei zwar, dass es an einer förmlichen Ergänzung des Arbeitsvertrages fehle. Andererseits gehe das Arbeitsgericht selbst davon aus, dass di...

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