Entscheidungsstichwort (Thema)

Ein zwischen der Schuldnerin und dem Betriebsrat mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vereinbarter Interessenausgleich führt nicht zu der erleichterten Kündigungsmöglichkeit gemäß § 125 Abs. 1 InsO. Fehlerhafte Sozialwahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Zu den Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Betriebsbedingte Kündigung. Insolvenz. Interessenausgleich

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 125 Abs. 1 InsO ist nur für den Fall des Abschlusses eines Interessenausgleichs mit Namensliste zwischen dem Betriebsrat und dem Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren anwendbar. Dies gilt nicht für den vorläufigen Insolvenzverwalter.

 

Normenkette

InsO § 125 Abs. 1; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Urteil vom 19.09.2001; Aktenzeichen 1 Ca 2401/00)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.09.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Herne – 1 Ca 2401/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Der am 01.11.12xx geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, war seit dem 26.07.1990 bei der Firma D1. M1. AG als CNC-Fräser gegen einen Stundenlohn von 28,94 DM in der 35-Stunden-Wochen tätig.

Am 02.05.2000 beantragte die D1. M1. AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Beklagte wurde am gleichen Tag vom Amtsgericht Essen zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt mit der Maßgabe, dass die Schuldnerin nur noch mit Zustimmung des Beklagten Verfügungen über Gegenstände ihres Vermögens treffen durfte.

Am 01.07.2000 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Schuldnerin betätigt sich geschäftlich in den Bereichen Maschinenbau und Antriebstechnik (Getriebe für Windkraftanlagen). Nach Darstellung des Beklagten wurde im Juni 2000 entschieden, den Betrieb mit einer veränderten Personalstruktur fortzuführen.

Der Betriebsrat befasste sich in seiner Sitzung am 15.06.2000 mit der beabsichtigten Entlastung von 103 namentlich genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Er stimmte den Entlassungen von 97 Mitarbeitern, darunter der des Klägers, zu. In sechs Fällen widersprach der Betriebsrat den beabsichtigten Kündigungen.

Am 28.06.2000 schloss die Schuldnerin unter Beteiligung des Beklagten mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan, in dem es – soweit hier von Interesse – heißt:

„II.

Sozialplanansprüche entstehen für Arbeitnehmer, die ab dem 01.07.2000 von Kündigungen und Entlassungen betroffen sind bzw. das Arbeitsverhältnis durch einen dreiseitigen Vertrag lösen, um in eine BQG zu wechseln.

III.

Das Sozialplanvolumen beträgt:

DM 1.197.128.00

Die Höhe des Sozialplanvolumens entspricht im Rahmen der gesetzlichen Höchstgrenzen dem 2,5-fachen Wert der Bruttolohn- und -gehaltssumme der von Kündigungen oder Entlassungen betroffenen Arbeitnehmer für den Monat Juni 2000.

V.

Die auf diese Weise ermittelten und angemeldeten Ansprüche erkennt der Insolvenzverwalter als Masseschuldenanspruch gem. § 123 InsO an. …

X.

Der Insolvenzverwalter verpflichtet sich persönlich, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Wirksamkeit dieses Sozialplanes als verbindlich für das eröffnete Verfahren zu bestätigen.”

Gleichzeitig schlossen die genannten Beteiligten am 28.06.2000 einen Interessenausgleich, in dem es unter III. heißt:

„Die Parteien dieser Betriebsvereinbarung sind sich darin einig, dass durch die vom Arbeitgeber beantragte Insolvenz und Betriebsänderung die nachfolgend aufgeführten Kündigungen und Entlassungen unvermeidbar sind.

Die von Kündigungen und Entlassungen betroffenen Mitarbeiter ergeben sich aus der als Anlage 1 dieser Betriebsvereinbarung beigefügten Liste, die mit der vorliegenden Betriebsvereinbarung bei Unterzeichnung fest verbunden ist. Diese feste Verbindung bestätigen sich die Parteien mit Unterschrift gegenseitig.

In der Liste sind die von Kündigung und Entlassung betroffenen Arbeitnehmer mit Name, Vorname, Anschrift, dem Entlassungs- und Kündigungsdatum, Freistellungsdatum, Grad der Schwerbehinderung, Zugehörigkeit, Alter. Familienstand. Arbeitsstunden/Monat, Nationalität und Sozialpunkte einzeln aufgeführt.

Mit der Unterzeichnung der vorliegenden Betriebsvereinbarung bestätig der Betriebsrat, dass alle vorzunehmenden Kündigungen und Entlassungen jedes einzelnen Arbeitnehmers erörtert wurden.”

Mit Schreiben vom 28.06.2000 kündigte die Schuldnerin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgemäß zum 31.10.2000 und stellte ihn ab 30.06.2000 von der weiteren Mitarbeit frei. Gleichzeitig unterbreitete sie das Angebot, ab 01.07.2000 in die gegründete Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft einzutreten.

Mit seiner am 19.07.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend. Er rügt insbesondere eine fehlerhafte Sozialauswahl.

Der Beklagte begründet die Kündigung mit dringenden betrieblichen Erfordernissen. Seiner Darstellung zufolge sind folgende Mitar...

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