Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörung des Betriebsrates bei krankheitsbedingter Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Umfang der Anhörungspflicht des Arbeitgebers bei einer krankheitsbedingten Kündigung.

2. Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Betriebsrat bei der Anhörung klar zu stellen, ob er eine krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger (Kurz)Erkrankungen, langandauernder Erkrankung, dauernder krankheitsbedingter Unmöglichkeit der Arbeitsleistung, unabsehbarer Dauer einer Arbeitsunfähigkeit oder krankheitsbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit stützen will.

3. Der Betriebsrat ist nicht verpflichtet, den konkreten Kündigungsgrund, soweit er sich nicht aus dem Anhörungsschreiben ergibt, aus den diesem Schreiben ohne konkrete Bezugnahme beigefügten Unterlagen, insbesondere aus einer Personalakte zu ermitteln.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 21.05.2002; Aktenzeichen 4 Sa 1677/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 21. Mai 2002 – 4 Ca 1677/02 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.

Der am 15. Dezember 1945 geborene Kläger ist verheiratet und für einen 14 Jahre alten Sohn unterhaltspflichtig. Seit dem 2. Juni 1980 war er bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zunächst als Metallfacharbeiter auf dem B8xxxxxx P2xxxxx-H6xxxx in B5xxxxx tätig. Im April 1987 erlitt er beim Schieben einer Lore einen Arbeitsunfall. Er zog sich dabei eine Fraktur des rechten Handgelenks sowie eine Prellung der Lenden- und Halswirbelsäule zu. Seit dem 12. September 1991 bezieht der Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente. Im Rahmen des Rentenverfahrens wurde am 12. Februar 1991 ein Wechsel des Arbeitsplatzes empfohlen. Seit dem 22. April 1991 ist der Kläger als Kauenwärter auf dem B8xxxxxx P2xxxxx-H6xxxx in B5xxxxx tätig. Seine Vergütung richtet sich nach Lohngruppe 3 der Tarifverträge des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus, seine Vergütung betrug zuletzt durchschnittlich 1.385,12 EUR brutto. Im Oktober 1996 erlitt der Kläger auf dem Weg von der Arbeit nach Hause einen Wegeunfall. Dabei zog er sich ein Schleudertrauma mit Stauchung der Halswirbelsäule, eine Bruchsprellung und eine Prellung des rechten Ellenbogengelenks zu. Seit dem 18. Dezember 2000 ist der Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt wurde, gemäß § 1 Abs. 3 SGB IX schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Die Beklagte beschäftigt ausschließlich der Auszubildenden mehr als fünf Arbeitnehmer. Bei ihr besteht ein Betriebsrat, dessen Vorsitzender seit 1997 durchgängig der Mitarbeiter L3xxxxxxx ist.

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses immer wieder mal für kürzere oder längere Zeiträume sowohl aufgrund der vorgenannten als auch weiterer Arbeitsunfälle und sonstiger Erkrankungen arbeitsunfähig krank, und zwar auch nach seiner Versetzung auf den Arbeitsplatz als Kauenwärter. Wegen der Fehlzeiten im Einzelnen wird auf die Aufstellung im Urteil des Arbeitsgerichts vom 21. Mai 2003 (Bl. 2 f.) und den hierzu erfolgten Korrekturen gemäß Protokoll der Sitzung vom 21. Oktober 2003 (Bl. 2) Bezug genommen.

Seit Juni 1991 sind der Beklagten Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 20.438,67 EUR entstanden: Einschließlich Nebenleistungen, die nur an den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, wie Weihnachtsgeld, Erholungsbeihilfe, Treueprämie, Deputatkohlen etc., hat die Beklagte in diesem Zeitraum 37.579,59 EUR für den Kläger aufgewendet. Wegen der Kosten für die einzelnen Jahre wird auf die Aufstellung der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung vom 13. August 2003 (Bl. 3 f.) verwiesen.

Eine erste krankheitsbedingte Kündigung sprach die Beklagte mit Schreiben vom 9. Juni 1997 zum 31. Dezember 1997 aus. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte auch in der Berufungsinstanz Erfolg (LAG Hamm, Urteil vom 14. Januar 1999 – 8 Sa 1258/98). Der Kläger war nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht bei der Beklagten beschäftigt. Unter dem 6. März 1998 erstellte der Facharzt für innere Medizin und Arbeitsmedizin Dr. med. S8xxxxxxx vom Arbeitsmedizinischsicherheitstechnischen Zentrum B9xxxxx/R2xxx e.V. gemäß dem Beweisbeschluss des Arbeitsgerichts ein arbeitsmedizinisches Gutachten über den Kläger, wegen der Einzelheiten wird auf dessen Kopie (Anlage 2 der Berufungsbegründung vom 13. August 2003) Bezug genommen wird.

Nach Wiederaufnahme seiner Beschäftigung fanden unter anderem am 23. Oktober und 7. Dezember 2001 sowie am 29. Januar, 11. März und 9. April 2002 seitens der Beklagten Gespräche mit dem Kläger statt, in denen es um die Hintergründe der Fehlzeiten und eventuelle Abhilfemöglichkeiten ging. Nach den dazu vom Belegschaftsbeauftragten Gertz gefertigten Aktenvermerken (vgl. Anlagen zum Schriftsatz der Beklagte...

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