Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn während eines Streiks

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat sich ein Arbeitnehmer nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung im Zeitraum des Annahmeverzuges an einem Arbeitskampf beteiligt, so entfällt der Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Dauer seiner Streikbeteiligung.

 

Normenkette

BGB § 615; GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Entscheidung vom 15.12.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1114/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.07.2012; Aktenzeichen 1 AZR 565/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 15.12.10.2010 - 2 Ca 1114/10 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Anschluss an einen erfolgreich geführten Kündigungsschutzprozess - betreffend die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 22.04.2010 und ordentlicher Kündigung vom 09.04.2010 - die Zahlung von Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für den Zeitraum vom 24.04. bis 15.07.2010. Dem hält die Beklagte den Einwand entgegen, der Kläger habe sich ab dem 13.04.2010 gemeinsam mit weiteren gekündigten und ungekündigten Arbeitnehmern an dem ab diesem Tage von der Gewerkschaft geführten Streik um den Abschluss eines Haustarifvertrages beteiligt. Für die Dauer der Streikteilnahme stehe dem Arbeitnehmer auch während des Annahmeverzuges kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung zu.

Der Kläger ist seit dem Jahre 2003 im baugewerblichen Betrieb der Beklagten als Produktionsmitarbeiter gegen eine monatliche Bruttovergütung von ca. 1942 € beschäftigt.

Wie unstreitig ist, hatte die Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt, Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe mit Schreiben vom 31.03.2010 (Bl. 125 d. A.) die nicht tarifgebundene Beklagte zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrages aufgefordert. Am 08.04.2010 wurde der Kläger - neben weiteren, ebenfalls am 09.04. gekündigten und freigestellten Beschäftigten - zum Mitglied der Tarifkommission gewählt. Nachdem die Beklagte die Aufnahme von Tarifverhandlungen ablehnte, kündigte die Gewerkschaft mit Schreiben vom 13.04.2010 (Bl. 127 d. A.) die Aufnahme eines unbefristeten Streiks für den Fall an, dass bis zum 13.04.2010, 10.01 Uhr keine Bereitschaft der Beklagten erklärt werde, Tarifverhandlungen zu führen. Der hierauf am 13.04.2010 begonnene Streik endete ohne Tarifabschluss, nachdem das Arbeitsgericht durch Urteil vom 14.07.2010 die Unwirksamkeit sämtlicher Kündigungen vom 09.04. und 22.04.2010 festgestellt hatte.

Zum Geschehensablauf am Tage vor Streikbeginn hat der Kläger vorgetragen: Wie die Beklagte im Parallelverfahren ArbG Herford 1 Ca 995/10 (LAG Hamm 8 Sa 2222/10) im Wesentlichen bestätigt habe, seien am Montag, den 12.04.2010 die gekündigten Arbeitnehmer um 6.00 Uhr morgens erschienen, um ihre Arbeitskraft anzubieten und die Rücknahme der Kündigungen zu fordern, was von Beklagtenseite abgelehnt worden sei. Gleiches habe die Beklagte gegenüber den um 7.00 Uhr erschienenen gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten der Beklagten - etwa der Hälfte der Belegschaft - erklärt, worauf diese aus Solidarität mit den Gekündigten ihre Arbeit niedergelegt hätten. Hierauf habe die Beklagte mit Abmahnungen wegen Verletzung der Arbeitspflicht und der Erteilung eines Hausverbots durch ihren früheren Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt P1, reagiert. Ob in diesem Zusammenhang der Gewerkschaftssekretär M1 gegenüber dem Betriebsleiter S2 erklärte, im Falle der Rücknahme der Kündigungen werde man den Aussicht genommenen Streik um den Abschluss eines Haustarifvertrages zunächst einmal aussetzen, ist unter den Parteien streitig.

Der Kläger hat im ersten Rechtszuge zuletzt beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.855,01 € brutto abzüglich durch die Bundesagentur für Arbeit geleisteter 2.080,50 € für den Zeitraum 01.05.2010 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab Zustellung der Klage zu zahlen.
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 448,50 € brutto für den Zeitraum 24.04. bis 30.04.2010 abzüglich durch die Bundesagentur für Arbeit für diesen Zeitraum geleisteter 194,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab 02.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Durch Urteil vom 08.12.2010 (Bl. 50 ff. der Akten), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, durch seine Beteiligung an Streikkundgebungen habe der Kläger dokumentiert, dass er nicht zur Arbeit bereit und leistungswillig sei, sondern sich am Streik beteilige. Allein die Tatsache, dass die Beklagte zuvor eine fristlose Kündigung ausgesprochen habe, führe nicht dazu, dass eine Streikteilnahme aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausscheide, vielmehr habe der Kläger sich ...

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