Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer vor Inkrafttreten des MiLoG arbeitsvertraglich vereinbarten Verfallklausel

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Verfallklausel, in einem vor dem Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossenen Arbeitsvertrag ist aus Gründen des Vertrauensschutzes dahingehend auszulegen, dass die Vertragsparteien keine Verfallklausel vereinbaren wollten, die gegen eine gesetzliche Verbotsnorm verstößt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verfallklausel nach ihrem Wortlaut Ansprüche nicht erfasst, die auf strafbare oder unerlaubte Handlungen gestützt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 134, 307 Abs. 1; MiLoG § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 10.04.2018; Aktenzeichen 5 Ca 1715/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 10.04.2018 - 5 Ca 1751/17 - wird Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Überstundenvergütung für den Zeitraum vom 01.1.2014 bis zum 31.5.2017.

Der 1969 geborene und verheiratete Kläger war ab 2008 als Kraftfahrer im Fernverkehr bei der Beklagten angestellt. Die Parteien schlossen unter dem 14.07.2010 einen Arbeitsvertrag, der unter anderem folgende Regelungen vorsah:

§ 2 Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt gem. § 21a ArbZG 48 Stunden. Sie kann auf bis zu 60 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 16 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich nicht überschritten werden. ...

§ 4 Entlohnung

Für seine Arbeit erhält der Mitarbeiter folgende Entlohnung:

Gehalt einschl. Urlaub- und Weihnachtsgeld 2.100,00 Euro

sowie eine Prämie in Höhe von: 100,00 Euro

Die Prämienzahlung ist anrechenbar und richtet sich nach der wöchentlichen Anwesenheit ...

§ 12 Verfall von Ansprüchen/Verjährung

(1) Alle Ansprüche der Vertragsparteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für solche Ansprüche, die auf eine strafbare Handlung oder eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Die Versäumung der Ausschlussfrist führt zum Verlust des Anspruchs.

..."

Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14.7.2010 einen Arbeitsvertrag wird auf Bl. 93-105 der Akte Bezug genommen.

Die Prämie i.H.v. 100 € monatlich wurde regelmäßig gezahlt.

Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers zum 30.6.2017.

Mit der am 31.7.2017 beim Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Schriftsatz macht der Kläger Überstundenvergütung i.H.v. insgesamt 8.053,21 € geltend. Zugleich hat er Klage auf Zahlung von 360 € Verzugsschadenspauschale erhoben. Die Klage ist der Beklagten am 08.08.2017 zugestellt worden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Vergütung von 752,26 Überstunden für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.o5.2017. Unter Zugrundelegung eines Bruttostundenlohnes i.H.v. 10,71 € stehe unter Berücksichtigung von Rundungen ein Gesamtbetrag i.H.v. 8.053,21 € zu.

Der Kläger hat unter Darlegung des Beginns und des Endes der Arbeitszeit sowie der in Abzug gebrachten Pausen die Arbeitszeit für jeden einzelnen Arbeitstag aufgelistet, von den sich pro Monat ergebenden Arbeitszeiten jeweils 207,84 Stunden bezahlter Arbeitszeit abgezogen und insoweit die Ansicht vertreten, dass die errechneten Differenzzeiten vergütungspflichtige Überstunden seien. Im Zusammenhang mit der Ermittlung der Überstunden hat Kläger die Ansicht vertreten, dass er einen etwaigen Ausgleich einer Arbeitszeit von über 48 Stunden in einer Woche in einem Referenzzeitraum nach § 2 Abs. 1 S. 2 Arbeitsvertrag nicht darlegen müsse. Denn insoweit handele es sich um eine anspruchsvernichtende Einwendung, für die die Beklagte die Beweislast trage. Wegen der Einzelheiten der vom Kläger errechneten Stunden wird auf die monatlichen Stundenzettel (Bl. 50 bis 90 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat behauptet, die Überstunden seien auf von der Beklagten angeordneten Touren entstanden. Die Arbeitszeiten seien angesichts der Auslieferung verderblicher Lebensmittel auch im dringenden betrieblichen Interesse der Beklagten gewesen.

Der Kläger hat außerdem die Ansicht vertreten, dass die Verfallklausel in § 12 des Arbeitsvertrages insoweit unwirksam ist, als sie auch Ansprüche auf Zahlung des Mindestlohns betreffe, was zur Gesamtunwirksamkeit der Klausel führe. Die Klausel sei zudem intransparent gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 8.053,21 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus 510,22 € brutto seit dem 1.2.2014, aus weiteren 18,09 € brutto seit dem 1.3.2014, aus weiteren 222,78 € brutto seit dem 1.4.2014, aus weiteren 340,75 € brutto seit dem 1.5.2014, aus weiteren 146,78 € brutto seit dem 1.6.2014, aus weiteren 81,57 € brutto vom 1.6.2014 bis zum 30.6.2014, aus weiteren 381,22 € brutto seit dem 1.8.2014...

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