Gegen dieses Urteil ist aus Gründen des § 72 Abs. 4 ArbGG kein Rechtsmittel gegeben.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrat. Widerspruch. Ordnungsgemäßer Widerspruch. einstweilige Verfügung. vorläufige Weiterbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein ordnungsgemäßer Widerspruch gem. § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG liegt nicht vor, wenn der Betriebsrat geltend macht, erfahrungsgemäß sei bei einer Massenentlassung damit zu rechnen, dass durch intensive Vermittlungsbemühungen und freiwillige Abfindungsaktionen freie Arbeitsplätze entstünden, auf welchen gegebenenfalls einige der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer eingesetzt werden könnten

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Urteil vom 25.03.2004; Aktenzeichen 3 Ga 9/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.03.2004 – 3 Ga 9/04 –wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zwischen den Parteien geführten Kündigungsrechtsstreits auf der Grundlage des § 102 Abs. 5 BetrVG. Insbesondere ist streitig, ob der vom Betriebsrat erhobene Widerspruch als „ordnungsgemäß” i.S. des § 102 Abs. 3 Nr. 3 angesehen werden kann. Das Widerspruchsschreiben hat folgenden Wortlaut:

„…

In Ihrem Kündigungsantrag erläutern Sie in großem Umfang, aus welchen Gründen Sie Ihre einseitig getroffenen Maßnahmen durchführen wollen. Der Betriebsrat kann diese Gründe nicht nachvollziehen. Sie gehen davon aus, dass eine Sozialauswahl stattgefunden hat. Der Betriebsrat widerspricht dem ganz entschieden. Sie betonen in Ihrem Antrag ausdrücklich, das Sie mit dieser Maßnahme eine ausgewogene Altersstruktur planen. Sie erklären, dass Sie beabsichtigen, einige Abteilungen wegfallen zu lassen, dass Sie in anderen Bereichen umfassende Kosteneinsparungsmaßnahmen eingeleitet und durchgeführt haben. Sie erklären weiter, dass Sie Mitarbeiter der Produktion in die Logistik versetzen, und Sie erklären, dass Sie Ihr aufgeführtes Punktesystem zur Sozialauswahl, mal mehr und mal weniger zur Anwendung gebracht haben. Sie verstoßen damit gegen von Ihnen selbst aufgestellte Auswahlrichtlinien (entspr. § 95 BetrVG), die mit dem Betriebsrat nicht vereinbart sind, an die Sie sich selbst wenigstens zu halten haben. Dadurch wurde der Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit völlig außer Acht gelassen. Zeugnis hierfür ist, dass Sie Schwerkranke und ältere Mitarbeiter als geringer schutzwürdig eingestuft haben.

Der Betriebsrat nimmt wie folgt Stellung:

Die Absicht, 395 Beschäftigte zu entlassen, stellt eine Betriebsänderung dar. Ein Interessenausgleich und Sozialplan liegt nicht vor. Der Betriebsrat ist über die Pläne und geplanten betrieblichen Änderungen nicht informiert. Die Gründe für die beabsichtigten Entlassungen wurden bisher nicht mitgeteilt. Sie haben zu keiner Zeit Gespräche oder Verhandlungen mit dem Betriebsrat geführt. Die in Ihrem Antrag aufgeführten Prognosen hat der Betriebsrat zur Kenntnis genommen, sieht sich allerdings außer Stande, diese zu kommentieren, da Sie es unterlassen haben, detaillierte und nachvollziehbare Zahlen vorzulegen. So entsteht der Eindruck, dass Ihre Maßnahme einzig und allein dazu dient, den Konzern auf Kosten von 395 Arbeitsplätzen zu sanieren. Aus diesem Grund sind die einzeln vorgelegten Kündigungsanträge inhaltlich vollkommen unbegründet. Frau N1xxxxx ist seit 1994 in diesem Betrieb beschäftigt. Sie übt seit Jahren die Tätigkeit einer SMD Automatenbedienerin aus.

Frau N1xxxxx ist verheiratet und betreut ihre pflegebedürftige Mutter. Sie ist auf ihren Verdienst dringend angewiesen und ist selbstverständlich auch nach einer dem Arbeitgeber zumutbaren Umschulung und evtl auch unter geänderten Vertragsbedingungen an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb einsetzbar, z.B. als Materialversorgerin für die SMD Automatenbestückung (Kostenstelle 55320), als Handbestückerin (Kostenstellen 55332, 55336) oder als Anlagenmontiererin (Kostenstellen 55432, 55321).

…”

Durch Urteil vom 25.03.2004, auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der vom Betriebsrat eingelegte Widerspruch sei nicht ordnungsgemäß im Sinne des Gesetzes. Auch wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstelle, der Betriebsrat habe mit der Angabe von Kostenstellen hinreichend deutlich gemacht, in welchen Arbeitsbereichen eine Weiterbeschäftigung der Klägerin in Betracht komme, lasse sich dem Widerspruch jedenfalls nicht entnehmen, dass auch nur in einem der Bereiche ein freier Arbeitsplatz zu besetzen sei. Auch wenn nicht allein der Wortlaut, sondern sämtliche für den Arbeitgeber erkennbaren Umstände für die Auslegung des Betriebsrats-Widerspruchs herangezogen würden, sei in Anbetracht der Vielzahl der...

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