Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechte des Arbeitnehmers bei Einhaltung eines für ihn unverbindlichen Wettbewerbsverbots

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitnehmer hat aus dem für ihn unverbindlichen Wettbewerbsverbot Anspruch auf Karenzentschädigung, wenn er sich an das Wettbewerbsverbot gehalten und seine Verpflichtung hieraus erfüllt hat. Einer (bewussten) Entscheidung für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots bereits zu Beginn der Karenzzeit, die endgültig ist und den gesamten Karenzzeitraum umfasst, bedarf es dagegen nicht (Abweichung von BAG, 22. Mai 1990, 3 AZR 647/88, NZA 1991, 363; 14. Juli 2010, 10 AZR 291/09, NZA 2011, 413).

 

Normenkette

HGB § 74

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Entscheidung vom 20.07.2011; Aktenzeichen 3 Ca 600/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 20. Juli 2011 (3 Ca 600/11) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Zahlung einer Karenzentschädigung.

Der Kläger war vom 26. Oktober 2009 bis 31. Juli 2010 als kaufmännischer Angestellter gegen ein monatliches Gehalt von 2.200,00 Euro brutto bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war ein schriftlicher "Anstellungsvertrag" vom 21. September 2009, der u.a. folgende Regelung enthält:

§ 12 Wettbewerbsverbot

Der Angestellte verpflichtet sich, für die Dauer von 6 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für eine Konkurrenzfirma tätig zu werden. Im übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. des Handelsgesetzbuches.

Der Kläger bezog ab 1. August 2010 Arbeitslosengeld in Höhe von 27,77 Euro kalendertäglich (entspricht 833,10 Euro monatlich). Mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 (wegen der Einzelheiten vgl. Kopie Bl. 19 f. d. A.) verlangte er erstmals die Zahlung von Karenzentschädigung ab August 2010. Nachdem die Beklagte nicht zahlte, hat der Kläger diesen Anspruch neben einer Urlaubsabgeltung im vorliegenden Verfahren weiterverfolgt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass sich die Beklagte auf eine angebliche Nichtigkeit der formularmäßig verwendeten Wettbewerbsverbotsklausel nicht berufen könne. Die Wettbewerbsklausel sei ihm bekannt gewesen, er habe gewusst, dass er sie beachten müsse. Im Übrigen sei die Beklagte verpflichtet, Entgeltansprüche der Arbeitsagentur durch Ausstellung der Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III mitzuteilen. Der Kläger habe keine Veranlassung gehabt, die Agentur für Arbeit auf den Karenzentschädigungsanspruch hinzuweisen.

Der Kläger hat - soweit hier von Interesse - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Karenzentschädigung in Höhe von 6.600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.100,00 Euro brutto seit dem 1. September 2010, 1. Oktober 2010, 1. November 2010, 1. Dezember 2010, 1. Januar 2010 und 1. Februar 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass das vereinbarte Wettbewerbsverbot nichtig sei. Zum einen fehle eine räumliche Begrenzung. Zum anderen ermangele es dem Wettbewerbsverbot an einer Karenzentschädigung. Im Übrigen habe der Kläger sich nicht an das Wettbewerbsverbot gebunden gefühlt. Bis zu seiner "Aufklärung" durch seinen Prozessbevollmächtigten sei ihm nicht einmal bewusst gewesen, dass er diesem unterliegt. Er habe es auch nicht gegenüber der Agentur für Arbeit angegeben.

Durch das hier angefochtene Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte außer zur Zahlung der mit eingeklagten Urlaubsabgeltung auch zur Zahlung der Karenzentschädigung für die Monate August 2010 bis Januar 2011 verurteilt. Das Wettbewerbsverbot sei nicht nichtig, sondern lediglich unverbindlich gemäß § 74 a Abs. 1 Satz 1 HGB. Durch Bezugnahme auf die §§ 74 ff. HGB sei zudem die Zusage einer Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgt. Der Kläger habe sich auch zu Beginn der Karenzzeit für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entschieden. Er habe sich seit diesem Zeitpunkt und für die gesamte Dauer des Wettbewerbsverbots an dieses gehalten. Die Nichtangabe des Wettbewerbsverbots gegenüber der Agentur für Arbeit lasse nicht den gegenteiligen Schluss zu. Soweit das Arbeitslosengeld überhaupt anrechenbar sei, führe eine Zusammenrechnung mit der monatlichen Karenzentschädigung nicht zu einer Überschreitung der anrechnungsfreien Grenze von 110 % gemäß § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (S. 8 bis 11 des Urteils, Bl. 66 - 69 d. A.) Bezug genommen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 3. August 2011 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am Montag, den 5. September 2011, eingelegte und mit dem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Oktober 2011 am selben Tag eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger...

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