Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Kürzung von Sondervergütungen für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit

 

Leitsatz (amtlich)

Haben die Parteien im Arbeitsvertrag vereinbart: „Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt Sonderzuwendungen, so ist der Arbeitgeber berechtigt, eine prozentuale Kürzung vorzunehmen, sofern der Arbeitnehmer infolge Krankheit arbeitsunfähig krank ist. Für die Kürzung von Sonderzuwendungen gelten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 4 a EFZG)”, so ist eine Kürzung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur zulässig, wenn die Parteien eine Vereinbarung im Sinne des § 4 a Satz 1 EFZG geschlossen haben, die die konkrete Prozentangabe der Kürzung enthält.

 

Normenkette

EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 4a; BGB § 307 Abs. 1, § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Urteil vom 21.09.2006; Aktenzeichen 2 Ca 65/06)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21.09.2006 – 2 Ca 65/06 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Der am 01.02.13xx geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Kläger steht bei der Beklagten seit 1986 in einem Arbeitsverhältnis als Schweißer. Er erhält einen Montagelohn in Höhe von 12,13 EUR brutto.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der zuletzt im Februar 2004 geschlossene Arbeitsvertrag, in dem u.a. Folgendes geregelt ist:

§ 4 Vergütung

5. Sonderzuwendungen

5.1

Sonderzuwendungen, insbesondere Gratifikationen wie z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Tantiemen, Prämien und sonstige soziale Leistungen liegen im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründen keinen Rechtsanspruch auf Seiten des Arbeitnehmers. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt, d.h. ein Rechtsanspruch entsteht auch nicht durch mehrmalige Zahlungen.

5.2.

Die Verteilung der Prämien erfolgt nach Maßgabe der Bauleitung unter Mitwirkung des Prämienobmannes (Betriebsrat). Anspruch auf Prämie besteht nur, wenn an dem jeweiligen Ergebnis aktiv mitgewirkt wurde.

5.3

Sofern Sonderzuwendungen im vorgenannten Sinne gezahlt werden, erfolgt dies zur Abgeltung vergangener Dienste und/oder zur Belohnung hinsichtlich zukünftiger Betriebstreue. Für die Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch. Dabei ist es unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung ruht. Auch für Zeiten der Elternzeit und des Mutterschutzes bzw. Wehr- oder Ersatzdienstes werden Sonderzuwendungen gleich welcher Art nicht gewährt. Jedwede Zahlung setzt zudem voraus, dass zum Zeitpunkt der Auszahlung das Arbeitsverhältnis noch in ungekündigtem Zustand besteht und kein Aufhebungsvertrag geschlossen ist. Weiter ist Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis ab Beginn des Kalenderjahres, in dem die Sonderzuwendung zur Auszahlung gelangt, fortlaufend bestanden hat.

§ 9 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

1.

Ist der Arbeitnehmer infolge auf Krankheit beruhender Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so erhält er Gehaltsfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.

2.

Ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber, insbesondere nach § 616 Abs. 1 BGB, in Fallen des § 45 SGB V (Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes unter 12 Jahren) wird ausgeschlossen.

3.

Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt Sonderzuwendungen, ist der Arbeitgeber berechtigt, eine prozentuale Kürzung vorzunehmen, sofern der Arbeitnehmer infolge Krankheit arbeitsunfähig ist. Für die Kürzung von Sonderzuwendungen gelten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 4 a EFZG).

Zusätzlich zum Zeitlohn erhielt der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Prämien in unterschiedlicher Höhe. Bis Februar 2005 war die Prämie als Prämienlohn in den Lohnabrechnungen ausgewiesen.

Im Jahre 2004 erhielt der Kläger bei einem Jahresbruttoeinkommen in Höhe von 28.054,30 EUR einen Prämienlohn in Höhe von 3.466,– EUR.

Ab März 2005 wurde die Verdienstabrechnung von einem anderen Unternehmen erstellt und nunmehr der zusätzliche Vergütungsanteil als „Prämie” ausgewiesen.

In den neuen Abrechnungen ist neben dem Stundenlohn auch ein Durchschnittssatz 1 und ein Durchschnittssatz 2 angegeben. Nach diesen Durchschnittssätzen, die immer höher liegen als der Stundenlohn, wird der Feiertagslohn sowie das Urlaubsentgelt gezahlt.

Der Kläger war im Juli 2005, im August 2005, im Januar 2006 und im Februar 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte rechnete für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Juli 2005 111 Stunden, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit im August 2005 111 Stunden, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Januar 2006 74 Stunden und für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Februar 2006 148 Stunden nur mit dem St...

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